Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...hat viel Phantasie. Und die braucht er auch – oft genug –, um sich einzurichten im schnöden Alltag, der nicht der seine ist. Ganz so wie der freundliche ältere Herr, der mir erzählte, wie er Marlon Brando begegnet ist. An einem Sonntagabend 1954. In der GGGK, der Gustav-Gründgens- Gedächtnis-Klappe, auf dem Berliner Wittenbergplatz. Dieser attraktive Mann habe ihn angesprochen, erzählte er, und dann seien sie gemeinsam verschwunden.

Dreimal sei er gekommen in dieser Nacht, und Marlon Brando auch. Ich muß ungläubig geschaut haben dabei, denn immer wieder versicherte mir der freundliche ältere Herr: „Ja, der Marlon Brando aus Hollywood! Den haben Sie doch sicher gesehen in dem Film ,Der Wilde‘.“ Ich sparte mir jeden Einspruch und beneidete den freundlichen älteren Herrn um diese schöne Begegnung. Brando ist fast schon vergessen und viel zu dick geworden inzwischen. Und in der Phantasie der homosexuellen Männer wurde er längst abgelöst: von Jean Claude van Damme vielleicht oder von Eros Ramazotti. Und – natürlich – von Götz George. Die Gerüchte, die über Deutschlands besten Macho-Darsteller unter Schwulen kursieren, sind zahlreich. „Ich hatte ihn“, schwört der eine, „im Darkroom von Tom's Bar.“ „Und ich, und ich“, drängt sich aufgeregt der andere dazwischen, „ich bin ihm eines Nachts begegnet in München im Englischen Garten.“

Doch was fängt er an mit all der Aufmerksamkeit, der Held unserer feuchten Träume, unser Samenstar? Da weiß George nicht nur die bessere Hälfte der Welt, die Frauen, auf seiner Seite, sondern auch die Schwulen, das gepflegtere Viertel der Männer. Und kann sich doch nicht gelassen zurücklehnen und ganz leise lächeln dabei. Im Gegenteil! Hektische Distanzierung statt dessen, besonders in all den Promo-Interviews zu seinem neuesten Film „Das Trio“. Einen Schwulen spielt er darin und muß seinen Filmpartner küssen und ganz dicht bei ihm liegen und ganz nackt. Natürlich drehen sich alle Fragen an den Star nur darum, und Götz George spielt immer die gleiche Platte: „Ich bin Hetero seit eh und je!“ Na und! „Habe auch keine Jugenderfahrung!“ Schade! „Wenn man einen Schwulen spielt, muß man nicht durch Schwulenkneipen tingeln!“ Noch mal schade! Und was heißt überhaupt „tingeln“? „Ich hatte keine Lust, ein Klischee zu bedienen“, sagt er noch. Da möchte man ihm doch zurufen: „Herr George, Sie haben so viel Klischees in der Birne, daß Sie überhaupt nicht mehr wissen, wo es langgeht!“

Um die abfälligen Bemerkungen dieses Mannes besser zu begreifen, genügt ein einfacher Trick: Den Spieß umdrehen! Und man stelle sich Rock Hudson vor, wie er nach einem seiner Welterfolge als Womanizer durch die Medien gereist wäre: „Halten Sie mich jetzt aber bitte nicht für heterosexuell! Und natürlich kriegen mich auch keine zehn Pferde in irgendeinen dieser scheußlichen Heteroschuppen!“ Na schönen Dank! Geteert, gefedert und gevierteilt wäre er worden, öffentlich geohrfeigt von Doris Day und dann weg vom Fenster. So wie Götz George jetzt aus der Phantasie der homosexuellen Männer abtreten muß. Nach der Rolle. Als alternder Homo. Denn niemand will das wirkliche Leben im erregenden Traum. Auf gar keinen Fall!