Hackl rast auf den Höhepunkt

Der gestern geschaffene Mythos sollte reichen, um den nun dreifachen Rodel-Olympiasieger bei sämtlichen Winterspielen bis zum Jahr 2018 gewinnen zu lassen  ■ Aus Iizuna Kogen Matti Lieske

Ein dumpfes Grollen, dann macht es „wuschsch“, und schon ist Georg Hackl vorbei. Zugegeben: „Wuschsch“ macht es bei den anderen Rodlern auch, aber irgendwie längst nicht so schön wie bei Hackl. Wenn der 31jährige bei Olympischen Spielen startet, ist eben alles beinahe perfekt. Kaum ist das „Wuschsch“ verklungen, rast der Schlitten in die letzte Kurve und Sekunden später ist Georg Hackls dritter Goldmedaillengewinn bei Olympischen Spielen geschafft. Nur 1988 in Calgary konnte ihn jemand schlagen, der DDR-Fahrer Jens Müller, der sich gestern im Bundesadlergewand noch einmal Bronze holte.

Silber gewann diesmal nicht der in Albertville und Lillehammer jeweils knapp unterlegene Österreicher Markus Prock – er wurde Vierter –, sondern Armin Zöggeler, der in dieser Saison souverän den Weltcup für sich entschieden hatte. Dennoch zeigte sich der Südtiroler keineswegs überrascht davon, daß ihm nur der zweite Platz blieb. „Ich verfolge Hackl schon seit längeren Jahren und ich wußte, daß er fast unschlagbar sein würde“, gestand Zöggeler seine vorauseilende Resignation ein.

Dann fuhr er fort: „Schorsch bereitet sich eben gezielt auf die Höhepunkte vor.“ Ein Satz, den alle Beteiligten so häufig und bereitwillig wiederholen, daß man sich fragt, ob nicht allein der dadurch geschaffene Mythos reichen würde, Hackl bei allen Winterspielen bis zum Jahre 2018 Olympiasieger werden zu lassen.

„Keiner kann sich so gezielt auf einen Wettkampf vorbereiten“, rezitiert auch Hackls Trainer Thomas Schwab, der als Insider immerhin einige Details beisteuern kann: „Das fängt beim Material an und hört beim Mentalen auf.“ Jede Situation habe Hackl vor einem wichtigen Rennen im Kopf durchgespielt. Kaputter Schlitten, defektes Visier, verpatzter Lauf, nichts könne ihn überraschen, geschweige denn aus der Ruhe bringen. „Wenn es losgeht, ist der Wettkampf fast schon Vergangenheit“, weiß Schwab.

Gestern mußte sich Hackl lediglich mit kleineren Mißgeschicken herumschlagen, winzige Fahrfehler, die ihn aber nicht hinderten, viermal Bestzeit zu fahren und mit dem größten Vorsprung seiner drei Olympiasiege durchs Ziel zu gehen: mehr als ein halbe Sekunde. In Lillehammer waren es 13 Tausendstel gewesen. Markus Prock hatte vor dem Rennen in Nagano vom „perfekten Rennen“ geträumt, mit dem der Weltcup-Seriensieger der 90er endlich seine schwarze Olympiaserie durchbrechen wollte. Doch das perfekte Rennen gibt es nicht, schon gar nicht auf einer technisch so anspruchsvollen Bahn wie der in Iizuna Kogen, bei der es sogar zweimal kurz bergauf geht. „Alle haben Fehler gemacht“, meinte Zöggeler. Auch Georg Hackl.

„Man muß entsprechend reagieren“, sagt Sepp Lenz, der frühere Bundestrainer und Mentor von Georg Hackl, „es gibt mehrere Linien.“ Die Kunst, wenn man die Ideallinie verlassen hat, sofort die nächste zu finden, beherrscht Hackl in hohem Maße. Bei Lenz hat er auch das Basteln gelernt. „Das kann man schon sagen“, erzählt der in Nagano als Streckenpräparator tätige Ex-Coach, „mein Bestreben war es, die Aktiven im Schlittenbauen anzulernen, weil damals nur ich als Trainer da war und nicht alles allein machen konnte.“ Hackl sei „der Aufmerksamste“ gewesen. Ob Handschuhe, Helm, Schuhe oder die Kufen aus speziellem Stahl, an allem konstruiert er herum. Und während andere Weltcupsiege einfahren, testet er seine Erfindungen für den Saisonhöhepunkt.

So schlecht wie in diesem Jahr sollten die Ergebnisse aber nicht sein. Erst das letzte Rennen in Winterberg, bei dem er Dritter wurde, habe ihm unheimlich Selbstbewußtsein gegeben, weil er im ersten Lauf, als reguläre Bedingungen herrschten, Bestzeit gefahren sei. „Als Favorit für Olympia habe ich mich aber gewiß nicht gesehen“, widerspricht er Zöggeler. Wie es dann kommen konnte, daß er derart überlegen gewann? „Weiß ich selbst nicht genau.“

Bis zur WM am Königssee nächstes Jahr will Hackl auf jeden Fall weitermachen, aber Olympia 2002 in Salt Lake City, „das sehe ich nicht“. Entscheidend sei die Gesundheit, und die ist nicht mehr optimal, wie eine Bandscheiben- Operation 1997 unangenehm deutlich machte. „Man wird eben älter“, teilte er gestern in Iizuna Kogen den Journalisten mit, „und es ist keine Besserung in Sicht. Schauen Sie sich doch selbst an.“