Das Portrait
: Der Avantgardist der Rechtsextremen

■ John Enoch Powell

Er sei der beste Parlamentarier gewesen, den sie kannte, sagte die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher: „Er war magnetisch. Es wird nie wieder einen wie Enoch geben.“ Zum Glück, sagen seine Feinde – und Feinde hatte Enoch Powell viele.

Der konservative Politiker, der am Sonntag im Alter von 85 Jahren an der Parkinsonschen Krankheit gestorben ist, war im April 1968 durch einen Aufruf gegen die Einwanderung aus den Kolonien über Englands Grenzen hinaus bekannt geworden. „In 15 oder 20 Jahren wird der schwarze Mann über den weißen Mann die Peitsche schwingen!“ rief er in seiner Rede in Birmingham. „Wenn ich in die Zukunft schaue, bin ich von bösen Ahnungen erfüllt. Wie die Römer scheint mir, als sehe ich den Tiber überschäumend vor so viel Blut.“ Der schwarze Gewerkschaftsführer Bill Morris sagte: „Die Rede traf uns wie ein Erdbeben.“ Der damalige Tory-Chef Edward Heath warf Powell aus dem Schattenkabinett, bis zum Ende seiner Karriere 1987 blieb er Hinterbänkler.

John Enoch Powell kam 1912 in Birmingham auf die Welt. Nach Abschluß des Gymnasiums erhielt er ein Stipendium für Cambridge, wo er Griechisch und Latein studierte. Mit 26 wurde er als Professor für Griechisch nach Sydney berufen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er mit 32 Jahren der jüngste Brigadekommandeur der britischen Armee.

Nach dem Krieg ging er in die Politik, um „den Zerfall des britischen Weltreiches aufzuhalten“. Vier Jahre später wurde er Staatssekretär im Schatzamt, trat jedoch kurz darauf aus Protest gegen die verschwenderische Ausgabenpolitik der Tory-Regierung zurück. 1960 wurde er Wohnungsbauminister, und viele sahen in ihm bereits einen künftigen Regierungschef. Doch bei der Wahl zur Tory-Führung 1964 verlor er deutlich gegen Heath. Der machte ihn zum Transportminister im Schattenkabinett. Dann kam Birmingham.

Kurz vor den Wahlen 1974 rief Powell dazu auf, Labour zu wählen, weil die Partei gegen den britischen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft war. Er kandidierte bei den Wahlen deshalb auch nicht für die Tories, sondern für Nordirlands Unionisten.

In seinem letzten Fernsehinterview 1996 erklärte Powell, er fühle sich rehabilitiert: „Ich lebe nun in einem Zeitalter, in dem meine Ideen Teil der allgemeinen Mode sind.“ Ralf Sotscheck