Endstation Magdeburg – Tausende Bahnfahrer sauer

■ Zerrissene Oberleitungen legten die ICE-Trasse nach Berlin lahm

Berlin (taz) – „Endstation Magdeburg“ hieß es am Sonntag abend für Tausende von Bahnreisenden. Zwei beschädigte Oberleitungen hatten bereits am Mittag den Zugverkehr zwischen Hannover und Berlin in der Nähe von Magdeburg lahmgelegt. Während Regionalzüge und InterCitys auf Nebenstrecken umgeleitet wurden, mußte die Bahn den ICE-Verkehr zwischen Hannover und Berlin gleich für mehrere Stunden ganz einstellen, da sich der ICE nicht umleiten ließ. Statt dessen mußten die Reisenden zweimal umsteigen: Erst in einen Pendelzug von Braunschweig nach Magdeburg und schließlich in einen weiteren zwischen Magdeburg und Berlin.

Zunächst Rätselraten bei der Bahn: War es ein Stromausfall im Kraftwerk? Oder eine Hakenkralle militanter Atomkraftgegner, die die Leitungen kurzgeschlossen hat? Erst am Abend stellte sich heraus: Eine defekte Schelle an einem Leitungsmast war schuld. Diese habe zwischen den Oberleitungen gebaumelt und dann den Stromabnehmerbügel eines Regionalzugs verbogen, erläuterte Bahnsprecherin Erika Frost den Schaden. 25 Kilometer weiter, bei Sudenburg, habe der verbogene Bügel dann schließlich die Oberleitung heruntergerissen. Etwas später erwischte es den Stromabnehmer eines ICE, der dann bei Dreileben eine Oberleitung beschädigte.

Bis die Deutsche Bahn AG in der Lage war, die Reisenden und andere Bahnhöfe im Bundesgebiet über das Ausmaß des Problems zu informieren, gingen allerdings einige Stunden ins Land. Obwohl der erste Oberleitungsschaden bereits um 13 Uhr mittags aufgetreten war, empfahl beispielsweise die Bahnauskunft in Bremen noch um 16 Uhr Reisenden, über Magdeburg nach Berlin zu fahren.

Offensichtlich war die Störmeldung bei der Betriebsleitung Halle hängengeblieben. Sie ist eine von 15 Betriebsleitungen im Bundesgebiet. Diese überwachen, koordiniert von der Netzleitzentrale in Frankfurt/Main, den reibungslosen Ablauf des bundesweiten Zugverkehrs und sollen Störmeldungen weitergeben. Selbst auf den Bahnhöfen in Braunschweig und Magdeburg mangelte es offenbar an Informationen: Dem Norddeutschen Rundfunk zufolge beschwerten sich dort Fahrgäste über die schlechte Aufklärung.

Es habe „regionale Informationsverluste“ gegeben, räumt denn auch Bahnsprecherin Erika Frost ein. „Es ist eigentlich unsere Dienstleistung, die Reisenden zu informieren.“ Dies gelte besonders für die Strecke Hannover–Berlin, die die wichtigste ICE-Verbindung zwischen alten und neuen Bundesländern sei.

Erst am letzten Donnerstag hatte ein Oberleitungsschaden den Zugverkehr zwischen Augsburg und München aufgehalten. 100.000 Bahnreisende litten unter Zugausfällen und Verspätungen. Auch hier schimpften viele über die Sprachlosigkeit der Bahn. Anstatt die Situation zu erklären, wurden die Fahrgäste oft kommentarlos in Ersatzzüge umgeladen.

Auch hier hatte ein ICE mit seinem stromführenden Bügel die Oberleitung heruntergerissen. Worin sich der Bügel verfangen hatte, wußte aber auch gestern in der Frankfurter Hauptverwaltung der Bahn niemand zu sagen. Zusammenhänge zwischen den beiden Schadensfällen, etwa aufgrund von Materialverschleiß, seien derzeit nicht erkennbar, erklärte Bahnsprecher Hans-Georg Kusznir. nbo