Trauerfeiern und Verhaftungen

■ Anonyme Nationalisten bekennen sich zu dem Anschlag auf den Präfekten von Korsika. Er habe eine "bewußt militante Rolle bei der Unterdrückung der korsischen Patrioten" gespielt

Ajaccio (AFP) – Drei Tage nach der Ermordung des Präfekten von Korsika, Claude Erignac, haben sich radikale Nationalisten zu dem Anschlag bekannt. Mehrere Zeitungen auf der französischen Mittelmeerinsel erhielten gestern ein anonymes Bekennerschreiben, das die Behörden als echt einstuften, weil darin die Seriennummer der am Tatort verbliebenen Beretta-Pistole angegeben ist, mit der Erignac erschossen worden war.

Unklar blieb zunächst, wer genau hinter der Selbstbezichtigung steht. Der Verdacht richtete sich gegen eine Splittergruppe namens Sampieru. Die Polizei nahm bei Razzien im nationalistischen Milieu ein Dutzend Verdächtige fest. Mit einer „Viertelstunde des Schweigens“ gedachten auf der ganzen Insel zahlreiche Korsen des ermordeten Präfekten. Am Nachmittag wurden in Ajaccio Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin zu einer Trauerfeier erwartet.

In dem Selbstbezichtigungsschreiben wird Erignac vorgeworfen, „eine bewußt militante Rolle bei der Unterdrückung der korsischen Patrioten“ gespielt zu haben. Der Anschlag sei eine „hochgradig politische Aktion“ gewesen und nicht die isolierte Tat von Einzelgängern. Das dreiseitige Schreiben war nicht unterzeichnet. Die Beretta-Pistole war im September bei einem Überfall auf ein Polizeirevier im korsischen Hinterland gestohlen worden, zu dem sich ein bis dahin unbekannte Kommando Sampieru bekannt hatte. Im Pariser Innenministerium hieß es, das Schreiben werde ernst genommen. Der Text weise Ähnlichkeiten mit den Bekennerschreiben zu Bombenanschlägen in Straßburg und Vichy Ende vergangenen Jahres auf. Diese Attentate werden ebenfalls Sampieru zugeschrieben.

Die Polizei nahm im Morgengrauen auf Korsika 13 Verdächtige fest. Dazu gehörte auch der Nationalistenführer Marcel Lorenzoni, der sich vor einiger Zeit von der FLNC–Canal Historique, der bekanntesten bewaffneten Nationalisten-Organisation Korsikas, getrennt hatte. Diese bestritt gestern erneut, in das Attentat verwickelt zu sein. Zwei kurz nach der Tat festgenommene junge Männer befanden sich am Vormittag noch in Polizeigewahrsam, sollten aber noch im Laufe des Tages freigelassen werden. Sie wurden durch kriminaltechnische Untersuchungen entlastet.

Auf der ganzen Insel legten Menschen gestern früh die Arbeit nieder. Gleichzeitig wurden überall die Totenglocken geläutet, die Feuerwehren ließen die Sirenen heulen. Viele Ladeninhaber ließen die Rolläden herunter. In den Schulen wurde der Unterricht unterbrochen.