Euro ja – aber nicht jetzt

155 Wirtschaftsprofessoren sprechen sich in einer gemeinsamen Erklärung für eine Verschiebung der Europäischen Währungsunion aus. Die Zeit sei noch nicht reif  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Für eine „geregelte Verschiebung“ der Europäischen Währungsunion setzen sich über 150 deutsche Wirtschaftsprofessoren ein. Einen entsprechenden Aufruf veröffentlichten sie gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der britischen Financial Times. „Zur europäischen Integration gibt es keine Alternative“, so beginnt die Stellungnahme. Und dazu gehöre nun mal auch eine gemeinsame Währung. „Aber der Euro kommt zu früh.“

Die Argumente der Wissenschaftler sind durchaus bekannt: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sei trotz aller Fortschritte noch unzureichend. So sei die Gesamtverschuldung der EU- Staaten seit 1991 sogar noch um 15 Prozent gestiegen. An die Wirkung des Stabilitätspakts, der Strafen vorsieht, wenn ein Land zu viele Schulden macht, glauben die Verfasser des Aufrufs nicht. Denn daß die Regierungen Sanktionen tatsächlich beschließen, sei höchst unwahrscheinlich, wenn eine größere Zahl von Ländern gleichzeitig die Defizitgrenze überschreite.

Über den Sinn der Maastricht-Kriterien kann man streiten. Unstrittig ist jedoch ein weiteres Argument der Wirtschaftsprofessoren. Gerade Deutschland und Frankreich seien nicht gerüstet für den härteren Wettbewerb in der Währungsunion. Die Arbeitsmärkte müßten zuerst noch viel flexibler werden, schreiben sie und meinen damit eine Flexibilität der Löhne nach unten.

Denn das dürfte das zentrale Problem der Währungsunion sein: Bisher lassen sich wirtschaftliche Probleme wie etwa die Auswirkungen der Asienkrise oder Schwankungen des Dollarkurses durch die Abwertung der eigenen Währung parieren. Dadurch werden die Exporte wettbewerbsfähiger. Sind die Wechselkurse fixiert, fällt diese Möglichkeit weg. Auch die Zinsen stehen nicht mehr als wirtschaftspolitisches Instrument zur Verfügung, denn die Zinshöhe legt die europäische Zentralbank für alle gleich fest.

Dann gibt es nur noch zweierlei Reaktionen auf externe Probleme: Entweder sinken die Löhne, oder die Arbeitslosigkeit steigt. Für Deutschland kommt ein weiteres Problem dazu: Die im Vergleich zu den Nachbarn hohen Löhne und Nebenkosten für die Sozialversicherungen werden sich unter der gemeinsamen Währung kaum halten lassen.

Die 155 Professoren stellen sich mit ihrem Appell gegen 53 namhafte Wirtschaftsprofessoren, die sich im vergangenen August für den Euro stark machten. Ihnen zufolge stärkt die Währungsunion das Wachstum. Der Euro sichere damit Arbeitsplätze und habe darüber hinaus alle Chancen, eine stabile Währung zu werden. Bundeskanzler Kohl und Außenminister Kinkel halten die Argumente des Pro-Euro-Manifests für die stichhaltigeren. Die Warnungen wiesen sie pauschal zurück und hielten am pünktlichen Euro-Start im nächsten Jahr fest.

Die Euro-Gegner aber beharren darauf: „Der dauerhafte Erfolg des Euro ist wichtiger als der Zeitpunkt seiner Einführung.“ Aufgeschoben sei nicht aufgehoben. Eine gemeinsam von allen EU- Ländern beschlossene Verschiebung müsse mit Auflagen über eine weitere Konsolidierung verbunden werden.

Dummerweise sieht der Maastricht-Vertrag gar keine Verschiebung vor. Und weder in Bonn noch in Paris oder Brüssel werden die Aufmüpfigen auf viel Sympathie stoßen. Die Wissenschaftler raten für diesen Fall: „Dann muß jedenfalls für eine unnachsichtige Prüfung der Konvergenz gesorgt werden.“ Bei der Bundesbank jedenfalls dürften die Euro- Skeptiker dabei auf offene Ohren stoßen. Kommentar Seite 12