Watt verseuchen erlaubt

■ Für Bremen verboten, für Niedersachsen genehmigt: TBT verseuchter Hafenschlamm wird in Nordsee verklappt

Die Nordsee wird weiterhin völlig legal mit Hormon-Giften belastet. Niedersachsen kippt veseuchtes Baggergut ins Wattenmeer, weil die Küstenhäfen verschlammen. „Wir haben eine vorläufige Ausnahmegenehmigung erteilt, an acht Stellen zwischen Küste und ostfriesischen Inseln Baggergut aus unseren Küstenhäfen zu verklappen“, bestätigt die Pressesprecherin des Regierungsbezirks Weser-Ems, Herma Heyken.

Dabei hatte das Land im vergangenen Herbst noch Bremerhaven verboten, seinen Hafenschlamm auf diese Weise zu entsorgen, weil der mit Tributylzinn (TBT) verschmutzt ist. TBT greift in den Hormonhaushalt von Meerestieren ein und provoziert deren Unfruchtbarkeit. „Ich verstehe das nicht“, meint Hinrich Gravert vom Hafenamt Bremerhaven, der auf mehreren tausend Tonnen belasteten Schlamms sitzt. Auch in Bremerhaven drohten die Schiffe im Hafen stecken zu bleiben.

Bis zum niedersächsischen Verbot für Bremerhaven hatte Gravert den Dreck in die Nordsee gekippt. Zur Zeit überlegt das Land Bremen, den Schlamm für einige Millionen Mark vorerst auf der Deponie Seehausen zu lagern. „Eine Verzweiflungstat“, glauben Experten.

Auch der Schlamm aus den niedersächsischen Häfen ist nach einer zusammenfassenden aktuellen Publikation der Umweltorganisation WWF mit Tributylzinn belastet – und darf trotzdem verklappt werden. „Wir sind darüber nicht glücklich“, kommentiert eine Referentin im niedersächsischen Umweltministerium die Aktion. Uta Kreutzenbeck, Pressesprecherin des Ministeriums, verweist darauf, daß die Ausnahmegenehmigung bis März befristet ist und nur für zwei Häfen gilt. Zudem fehle für die grundsätzliche Verklappungsgenehmigung noch die Unbedenklichkeitserklärung der Naturschutzverbände. Auf die werden die Behörden aber wohl lange warten, denn gerade der WWF ist Vorkämpfer für ein generelles TBT-Verbot.

Zur Zeit ist Niedersachsen dabei, zusammen mit dem Land Bremen ein Entsorgungskonzept für den TBT-verseuchten Hafenschlamm zu erarbeiten. „Eine kurzfristige Ausnahmegenehmigung würde uns auch helfen“, sagt der Bremerhavener Hafenamtsleiter, Gravert.

Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums wird derzeit an zwei Stellen im Wattenmeer Hafenschlamm aus Juist und Norddeich verklappt. Alle Verklappungsstellen liegen direkt an Miesmuschelbänken, Organismen, von denen längst bekannt ist, daß sie auf TBT reagieren. Der Osthafen von Norddeich wurde für Baggerungen gesperrt: Hier sind laut Bezirksregierung Weser-Ems die TBT-Belastungen zu hoch. Aber auch für andere Küstenhäfen wie Bensersiel, Hornumersiel und Neuharlingersiel liegen Meßdaten von verseuchten Schlämmen vor, die nach einer Richtlinie der europäischen Paris-Oslo-Kommission niemals im Wattenmeer verklappt werden dürften.

Nach Auskunft des Umweltbundesamtes in Berlin ist die Nordsee flächendeckend mit TBT belastet. Trotzdem hat die Nationalparkverwaltung Wattenmeer die wasserrechtliche Verklappungsgenehmigung für ihre übergeordnete Behörde erteilt.

TBT ist in Antifoulingfarben für Schiffe enthalten. Es soll den Bewuchs der Schiffsrümpfe verhindern um so die Kraftstoffkosten niedrig zu halten. Seit 1990 ist TBT in Antifoulingfarben für Sportboorte verboten. „Seit über zehn Jahren halten sich die Hersteller strikt an das TBT-Verbot für Sportboote“, stellt Jörg Hauer vom Farbenhersteller „International“fest. Tatsache ist aber: Außer Inselfähren und kleinen Werften frequentieren gerade Sportboote die ostfriesischen Häfen. Warum diese Häfen so hoch mit TBT belastet sind, wissen weder Bezirksregierung noch Umweltministerium. Thomas Schumacher