Next Stop Nagano
: Zettel zum Taxi

■ Kaum angekommen, kennt Eishockeystar Hull schon den Weg zum Indoor-Golfplatz

Seit Montag abend sind sie endlich da, die Superstars dieser Olympischen Spiele. Anders als ihre basketballernden Kollegen, die unter dem fadenscheinigen Vorwand, sie könnten sich sonst vor aufdringlichen Mitathleten nicht retten, in einem Hotel wohnten, zogen die Eishockeyprofis aus der NHL brav ins Olympische Dorf ein.

„Wenn ich mit vier Typen in einem Zimmer hause, weiß ich, daß ich ein Olympionike bin“, sagt der Kanadier Wayne Gretzky vergnügt. Ähnlich sieht es Brett Hull vom Team USA, der eigentlich der Meinung ist, daß Olympia den Amateuren gehören müßte. „Die College- Kids sollten spielen“, sagt der Torjäger aus St. Louis.

Er kenne einige Spieler, die es nie in die NHL schafften, aber bei Olympia gespielt haben. „So gibt es wenigstens etwas Großes in ihrer Karriere“, meint Hull.

Da die Regeln aber nun mal geändert wurden, ist er fest entschlossen, die Sache zu genießen. „Wirklich aufgeregt“ sei er über das olympische Abenteuer, und er fühle sich hier keinesfalls als NHL-Star, sondern als einfaches Mitglied des Olympiateams der USA. „Es ist toll, Teil einer Gruppe von Leuten zu sein, die alle dasselbe erreichen wollen“, schwärmt der 33jährige vom Olympischen Dorf, in dem, wie auch seine Kollegen betonen, Unterbringung, Essen und Atmosphäre großartig seien.

Falls es doch langweilig werden sollte, hat sich Hull schon mal von einem japanischen Helfer den nächsten Indoor-Golfplatz auf einen Zettel kritzeln lassen. „Das brauche ich bloß dem Taxifahrer zu geben“, grinst er und zeigt das knittrige Papier stolz herum. Das einzige Problem könnte werden, daß er offenbar keinen Zettel für den Rückweg hat. Aber das mochte ihm gestern so drastisch niemand sagen beim Pressegespräch des US-Teams, das ebenso wie jenes der Kanadier mehr Journalisten anzog als IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch bei seinem Auftritt an gleicher Stelle. Besonders Gretzkys Auftauchen rief eine Medienstampede hevor, wie sie sonst nur Michael Jordan zustande bringt.

US-Coach Ron Wilson findet, daß es den verhätschelten Superstars durchaus guttue, mal an die Widrigkeiten des normalen Sportleralltags erinnert zu werden. Es sei wie eine Reminiszenz an die besten Zeiten jedes Hockeyspielers. Die hat man seiner Erfahrung nach, „wenn du als 13jähriger bei einem Turnier mit sechs Leuten in einem Zimmer wohnst und die ganze Zeit rumalberst und lachst.“

Die Spieler sind entschlossen, beim Ausflug nach Japan auch Spaß zu haben. Kanadas maradonagroßer Stürmer Theoren Fleury freut sich darauf, anderen Athleten im Dorf zu ihren Erfolgen zu gratulieren, sein Teamkollege Brendan Shanahan will unbedingt Eiskunstlaufen gucken. Aber natürlich sollen sie sich nicht nur amüsieren, sondern beim „besten Eishockeyturnier, das je gespielt wurde“ (Wilson) auch Gold holen. In Nagano sei es anders als bei den Basketballern in Barcelona und Atlanta, meint Hull: „Hier gibt es nicht ein Dreamteam, sondern sechs. Es ist ein Dream-Turnier.“

Der Sieg beim World Cup-Finale gegen Kanada letztes Jahr stimmt die US-Spieler optimistisch, doch einen Favoriten gäbe es nicht. Finnland, Schweden, Tschechien, Rußland – alle gespickt mit NHL-Cracks und in der Lage, jeden zu schlagen – sind dicke Stolpersteine auf dem Weg der USA zur ersten Eishockey-Goldmedaille seit dem legendären Sieg gegen die Sowjets 1980 in Lake Placid. Das „nationale Ding“, sagt Hull, sei ihm gar nicht wichtig, aber bei Olympia, weiß er, „schauen nicht nur die Hockeyfans zu wie beim World Cup, sondern alle, und zwar in der ganzen Welt“. Matti