■ Expertenanhörung: Warum die Ausbildungsplatzabgabe nichts taugt
: Strafen ohne Sinn

SPD, Bündnisgrüne und die PDS befürworten eine Ausbildungsplatzabgabe für Unternehmen. Heute werden Experten diese Initiative in einer parlamentarischen Anhörung diskutieren. Betriebe, die keine oder zu wenige Ausbildungsplätze bereitstellen, müßten den Oppositionsplänen zufolge künftig in Fonds Strafgelder einzahlen. Mit denen sollen wiederum die Betriebe belohnt werden, die über ihren eigenen Bedarf hinaus ausbilden. Die Wirtschaftsverbände lehnen dies grundsätzlich ab, auch SPD-Spitzenpolitiker wie Gerhard Schröder und Wolfgang Clement sind dagegen. Also alles wie gehabt – auf der einen Seite zynische Arbeitgeber, umgeben von ihren politischen Hofschranzen, und auf der anderen Seite eine gerechte Strafe für die Wirtschaft, die sich ihrer Verantwortung entzieht? Der rationale Kern der Gesetzesinitiative liegt sicherlich in der Erinnerung an den vom Neoliberalismus vergessen gemachten Verfassungsauftrag: Eigentum verpflichtet. Und trotzdem würde eine Ausbildungsplatzabgabe ihre Ziele verfehlen.

Die französischen Erfahrungen zeigen, daß eine Ausbildungsplatzabgabe keinen nennenswerten Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsplätzen bewirkt. In den Niederlanden ist es ähnlich. Das illustriert die These: Wenn die Arbeitgeber meinen, es gebe in ihren Betrieben keinen zusätzlichen Ausbildungsbedarf, werden sie auch finanzielle Anreize nicht dazu verleiten können, über Bedarf auszubilden. Außerdem ist zu erwarten, daß sich viele Betriebe via Ausbildungsplatzabgabe moralisch von der Ausbildungspflicht freikaufen werden.

Die Abgabe würde zudem teils absurde bürokratische Folgen haben. So sollen Betriebe den Arbeitsverwaltungen jährlich differenzierte Auskünfte über die Zahl der Beschäftigten und Auszubildenden und auch über Gewinne und Verluste machen. Geradezu hybrid mutet die Vorgabe an, daß die Arbeitsämter auch die Qualität der Ausbildung zu prüfen hätten.

Die geforderte Abgabe verkennt außerdem zwei Entwicklungen. Zum einen ist das deutsche Berufsbildungssystem in Europa ein Sonderweg. Die Versuche der späten 80er Jahre, die duale Erstausbildung zu einem deutschen Exportschlager zu machen, sind gescheitert. Nationale Reformen sollten jedoch mit europäischen Entwicklungen kompatibel sein. Zudem scheinen die Oppositionsparteien die Veränderungen in der Arbeitswelt nicht zum Ausgangspunkt ihrer Gesetzesinitiative gemacht zu haben. Die Betonung des Berufsprinzips in der Ausbildung mit seinen festen Berufszuschnitten droht an den Wandlungen der Arbeitswelt vorbeizugehen. Einerseits scheint es die Jugendlichen für die nach der Ausbildung zu verrichtenden Arbeiten aus der Sicht der Betriebe überzuqualifizieren. Andererseits sind sie oft bereits nach kurzer Zeit für neue Aufgaben nicht mehr ausreichend vorbereitet. Diese Veränderungen in der Arbeitswelt führen schon heute dazu, daß Unternehmen für wissensbasierte Arbeitsprozesse verstärkt Hochschulabsolventen einstellen, die sie betriebsspezifisch nachqualifizieren.

Grundsätzlich gilt: Eine Ausbildung, die den Bedarf der Arbeitswelt verfehlt, holt die Jugendlichen zwar für die Zeit der Lehre von der Straße. Viele der Lehrlinge werden jedoch nicht mehr automatisch übernommen. Zudem kann sich das deutsche Ausbildungssystem, das sich an einer überkommenen Arbeitsteilung orientiert, in den Unternehmen sogar innovationshemmend auswirken. Und abstrus wird es, wenn diese Fehlstrukturierung den Jugendlichen aufgezwungen werden soll. So fordert Rudolf Scharping (SPD), daß Jugendliche keine Sozialhilfe mehr erhalten sollen, wenn sie einen Ausbildungsplatz ablehnen. Sowenig der Slogan stimmt, Hauptsache Arbeit, so wenig kann auch diese Fixierung auf unser derzeitiges Ausbildungssystem überzeugen. Ingo Zander

Der Autor ist freier Publizist und lebt bei Köln