Indonesier stehen vor leeren Regalen

Währungsverfall, schlechte Ernten und das Ende der Subventionen führen zu dramatischen Preiserhöhungen. Chinesische Immigranten sind Sündenbock und flüchten vor aufgebrachten Javanern  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

„Senkt die Preise“, „Nieder mit den Chinesen“ fordern Parolen auf verbarrikadierten Läden in der ostjavanischen Stadt Jember. In Pasuruan, wo Gerüchte über steigende Kerosinpreise Anfang Februar Hunderte zu Protesten auf die Straße getrieben hatten, stehen viele Wohnhäuser leer. Die chinesischstämmigen Bewohner haben sich aus Furcht vor neuen Angriffen zu Verwandten und Freunden geflüchtet. In der Stadt Ende auf der Insel Flores suchten Chinesen in einer Polizeiwache Schutz, als eine aufgebrachte Menge durch die Straßen zog, Geschäfte in Brand setzte und Autos zerstörte.

In dem von einer schweren Wirtschaftskrise erfaßten Land drohen die Preise für Grundnahrungsmittel und Alltagsgüter in schwindelnde Höhen zu steigen – während immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren. Schon jetzt ist klar, daß Reis, Öl, Zucker, Mehl und das zum Kochen verwandte Kerosin in den nächsten Wochen bis zu fünfmal teurer werden.

Als meist christliche oder buddhistische Minderheit dienen die Chinesen als Sündenböcke für die zornigen Javaner. Die Einwanderer aus dem Reich der Mitte stellen nur drei Prozent der Bevölkerung, besitzen aber über 60 Prozent des Vermögens. Ihre Kaufleute lassen, so der böse Verdacht, ihre Regale vorsätzlich leer, um die gehorteten Säcke mit Reis, Zucker oder Milchpulver später teurer zu verkaufen. Schon jetzt kostet das Kilo Reis 1.600 Rupiah – vor wenigen Monaten waren es noch 960. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 7.500 Rupiah am Tag, weniger als ein Dollar. Schuld an dramatischen Preiserhöhungen und leeren Regalen sind aber nicht so sehr skrupellose Händler. Die Gründe liegen vor allem im steilen Fall der Währung. Indonesien importiert einen Gutteil seiner Nahrungsmittel. Weil die Rupiah gegenüber dem Dollar fast achtzig Prozent ihres Werts verloren hat, werden die Waren entsprechend teurer. Gestern kursierten hoffnungsvolle Gerüchte, daß die Regierung die Rupiah an den US-Dollar binden wird.

Bislang importierte Indonesien jährlich rund vier Millionen Tonnen Weizen. Obwohl Nudeln zu den beliebtesten Alltagsgerichten gehören, bauen die Indonesier selbst kaum Weizen an. Im Ausland gekauft werden außerdem jedes Jahr rund 1,1 Millionen Tonnen Zucker und 700.000 Tonnen Sojabohnen, rund ein Drittel des Bedarfs. Die anhaltende Dürre hat zudem viele Felder vertrocknen lassen. Das Land muß daher mehr Getreide als sonst einführen.

Zu allem Übel verlangt der Internationale Währungsfonds, die staatlichen Subventionen zu streichen, mit denen Präsident Suharto den Preis vieler Grundnahrungsmittel billig hielt. Er mußte den Forderungen im Januar nachgeben, um das vom IWF gewährte Kreditpaket von über 43 Milliarden Dollar nicht zu gefährden. Nicht nur Lebensmittel, auch Medikamente sind für viele Menschen und Hospitäler mittlerweile unerschwinglich geworden. In Krankenhäusern gehen Salben, Pillen und Tinkturen zur Neige. Auf der Insel Bali starben vier Dialysepatienten, weil sie ihre Blutreinigungspräparate nicht mehr bezahlen konnten. Sie kosten nun viermal so viel wie vor der Krise, berichtete das Asian Wall Street Journal. Rund neunzig Prozent der Medikamente kommen aus dem Ausland; 900 Millionen Dollar gab das Land bislang jährlich dafür aus. Mit internationalen Lebensmittelspenden will die Weltbank nun verhindern, daß sich die Krise weiter verschärft. Gemeinsam mit der Asiatischen Entwicklungsbank, der UNO, Japan, den USA und einigen anderen Ländern plant sie, eine Milliarde Dollar für Reisimporte und andere Hilfen aufzubringen.

Ob das reicht, die explosive Stimmung zu entschärfen, ist jedoch fraglich. „Dann werden die Läden voller Waren sein“, heißt es in Jakarta, „und wir werden sie nicht bezahlen können.“ Am 1.April sollen auch die Subventionen für Benzin und Strom fallen – wohl ein Anlaß für neue Proteste.