Deutsche dämmen Europa

Damit die deutschen Umweltstandards für Baustoffe in der EU gelten, hat die Bundesregierung geklagt und gewonnen  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Endlich steht Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mal gut da: Die Europäischen Richter unterstützten gestern die deutschen Bemühungen für umweltgerechte und qualitativ hochwertige Bauprodukte. Deutschland hat damit gestern einen Prozeß gegen die EU-Kommission gewonnen, die es mit dem Schutzniveau in der Europäischen Union nicht so genau nehmen wollte.

Mehr als 600 Milliarden Mark werden in der EU jährlich mit Bauprodukten umgesetzt. Von Beton über Türen bis hin zu sanitären Anlagen zählen hierzu alle Materialien und Geräte, die im Bausektor Verwendung finden – also für den europäischen Binnenmarkt ein wichtiger Teilbereich. Deshalb sollte auch der freie Warenverkehr sichergestellt werden, indem unterschiedliche nationale Anforderungen an Sicherheit und Umweltverträglichkeit harmonisiert werden, findet die EU-Kommission.

Wegen der Vielzahl betroffener Produkte war klar: Der Politik allein konnte die Harmonisierung nicht überlassen werden, dies hätte zu lange gedauert. Also ersann die EU-Kommission Mitte der achtziger Jahre eine neue Konzeption der Rechtsangleichung, für die der Baumarkt das wichtigste Anwendungsfeld werden sollte. Die EU- Kommissare wollten technische Normen wie die DIN-Normen europaweit vereinheitlichen. Alle diesen Normen entsprechenden Produkte sollten in Europa verkauft und verbaut werden. Nur Länder oder Unternehmen, die von den Normen abweichen, sollen für ihre Produkte eine Einzelzulassung beantragen. Dieses Regelungssystem wurde 1988 in der EU-Bauproduktenrichtlinie festgehalten.

Heute, zehn Jahre später, existiert im Bausektor immer noch keine einzige Euro-Norm. Noch immer wird um die politischen Vorgaben für die privaten Normungszirkel gerungen. Deutschland will, daß ihre relativ hohen Standards (etwa an Brandsicherheit und Gefahrstoffvermeidung) in die europäischen Normen übernommen werden, was natürlich auch im Interesse der deutschen Hersteller liegt. Die Kommission will den Normungsgremien dagegen möglichst wenige Vorgaben machen, um die Harmonisierung zu beschleunigen.

Zur Klage kam es 1995, als die Brüsseler Behörde damit begann, das Zertifizierungsverfahren zu verwässern. Dabei wird überprüft, ob ein Produkt mit der Norm übereinstimmt und deshalb das Freihandel garantierende „CE“-Zeichen führen darf. Bei Dämmstoffen wollte die Kommission etwa nur prüfen, ob die Brandschutzanforderungen der Norm erfüllt sind. Den eigentlich entscheidenden Punkt „Wärmedämmleistung und Energieeinsparung“ hielt die Kommission nicht für überprüfungswürdig. Daneben monierten die Deutschen in ihrer Klage auch zahlreiche Formverstöße der Kommission. Unter anderem habe sie Unterlagen zu spät zugestellt und ihre Beschlüsse schlecht begründet.

Die Klage der Bundesregierung war erfolgreich, entschied gestern der EuGH. Der Kommissionsbeschluß zur Zertifizierung der Wärmedämmstoffe sei „nichtig“. Allerdings stützte der EU-Gerichtshof den Beschluß nur auf einen der formalen Kritikpunkte und ließ die inhaltliche Rüge unbeantwortet. Im Bonner Bauministerium sprach man deshalb von einem „leicht unbefriedigenden Sieg“. Dennoch bestehe Hoffnung, daß die ersten europäischen Baunormen noch in diesem Jahr vorliegen.