Querelen um den Altmeister Heisig

■ Prominente gegen Bundesauftragsarbeit an DDR-Maler Heisig

Berlin (taz) – Dürfen Bilder von Bernhard Heisig, der einst in der DDR zu den staatstragenden Malern gezählt wurde, im Reichstag, dem künftigen Sitz des Bundestages, hängen?

Nein, meinen rund 60 Prominente, unter ihnen die Autoren Ralph Giordano, Jürgen Fuchs, Lutz Rathenow, die Regisseurin Freya Klier und die Maler Hans Hendrik Grimmling und Peter Hermann. In ihrem jetzt veröffentlichten Brief heißt es, eine „Ehrenrettung von Bernhard Heisig durch nachträgliche Würdigung auf neudeutschem Niveau ist nicht nur ein kunsthistorischer Irrtum, sondern auch ein politische Instinktlosigkeit“.

Der Aufruf wird im Kunstbeirat des Bundestages, der über die Ausgestaltung des Reichstages und der Bürokomplexe der Abgeordneten in Berlin entscheidet, mit Gelassenheit zur Kenntnis genommen. Anfang Februar hatten die anwesenden Mitglieder des zehnköpfigen Gremiums sich darauf verständigt, an dem bereits erfolgten Auftrag an Heisig festzuhalten. Der offene Brief lag zu diesem Zeitpunkt dem zehnköpfigen Gremium, das von Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth (CDU geleitet wird, vor. „Der Inhalt des Schreibens ist nicht überzeugend. Fragen der Loyalität oder Opposition in der DDR werden nicht die ästhetischen Kriterien des Beirats beeinflussen“, faßte gestern das SPD- Beiratsmitglied Thomas Krüger die Stimmung zusammen. Er selbst sei zwar kein „Heisig-Fan“, so der ostdeutsche Bundestagsabgeordnete, aber Heisigs Arbeit sei „Teil des Gesamtkonzeptes, und dabei wird es auch bleiben“. Er verstehe, wenn Maler wie Grimmling, die unter der offiziellen DDR-Kunstpolitik leiden mußten, erbost seien. Aber „biographische Gründe dürfen nicht zu Gesinnungsentscheidungen werden“. Die Bündnisgrüne Franziska Eichstädt-Bohlig wandte sich ebenfalls gegen eine „Überprüfungsmentalität“. Allerdings sei sie froh, daß der Brief endlich die Öffentlichkeit auf die Kunstauswahl in den Bundestagsbauten aufmerksam mache.

Heisig gehört neben Sigmar Polke, Günther Uecker, Georg Baselitz, Gerhard Richter und Carlfriedrich Claus zu den sechs deutschen Künstlern, die vom Beirat für den Reichstag „definitiv“ beauftragt worden seien, so Krüger. Darüber hinaus seien vier ausländische Künstler für den Parlamentsbau ausgewählt worden.

Mit ironischem Unterton wies Krüger darauf hin, daß ein Werk Heisigs seit Jahren im „wohl prominentesten Ausstellungsort“ des Bonner Regierungsviertels, dem Bundeskanzleramt, hänge. Heisig hatte 1986 Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der ihn zu seinen Lieblingsmalern zählt, porträtiert. Das Ölbild (130 mal 113 Zentimeter groß) hängt seit Mitte der 80er Jahre in der Ahnengalerie im Kanzleramt. Helmut Kohl hatte das Schmidt-Porträt bei der Einweihung gar als „Stück deutscher Gemeinsamkeit“ gelobt. Severin Weiland

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