„Meilenweit vom Umbau entfernt“

■ Fraktionssprecherin Kerstin Müller zum Thesenpapier der SPD-Linken

taz: Abgeordnete des linken Flügels der SPD, u.a. Michael Müller, Ottmar Schreiner und Wolfgang Thierse, stellen in einem Strategiepapier die Behauptung auf, daß die Sozialdemokraten in der Umweltpolitik konzeptionell deutlich weiter seien als die Bündnisgrünen. Was halten Sie davon?

Kerstin Müller: Es gehört schon ein gehöriges Maß an Blindheit dazu, neun Tage nach Garzweiler ein solches Papier zu schreiben. Die SPD hat doch gerade am Beispiel Garzweiler vorgeführt, wieweit sie die Partei der „altindustriellen Interessen“ ist und wie meilenweit sie davon entfernt ist, den ökologisch-sozialen Umbau ernsthaft anzugehen.

Würden Sie der grundsätzlichen Aussage der Autoren zustimmen, daß die Sozialdemokraten sich deutlicher für Ökologie und Nachhaltigkeit positionieren müssen, statt auf eine Arbeitsteilung mit den Bündnisgrünen zu setzen?

Die Idee ist gut. Nur die Beschreibung des Zustandes der SPD ist meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Die Wirtschaftsthesen behandeln zum Beispiel Ökologie nur als Randthema.

Die Autoren des Thesenpapiers behaupten ferner, Bündnis 90/Die Grünen hätten mit ihrem Wahlprogramm das ureigene Umweltthema relativiert...

Was soll man dazu sagen? Ich empfehle die Lektüre des Originaltextes. Der konzeptionelle Gedanke, die Bündnisgrünen spalten zu wollen, spiegelt ein Bewußtsein vom Anfang der achtziger Jahre wider.

Stehen die Parteilinken um den Bundestagsabgeordneten und Umweltpolitiker Michael Müller den Grünen nicht trotz allem am nächsten?

In vielen Positionen ist das so. Es wäre schön, wenn sich die SPD- Linken hier und da mal durchsetzen würden. Sie tun's aber nicht: weder beim Asylbewerberleistungsgesetz noch beim Hochschulrahmengesetz, beim Großen Lauschangriff oder bei Garzweiler.

Glauben Sie, die SPD hat im Bundestagswahlkampf bessere Chancen, wenn sie sich als linke, moderne Partei profiliert?

Politikberatung für die Sozialdemokraten ist ein schwieriges Geschäft. Sicher ist: die Menschen wollen eine glaubwürdige Alternative zur jetzigen Regierungspolitik. Mit der Linie, weiter so, nur mit anderen Köpfen, sind die Wahlen nicht zu gewinnen.

Wie sollten die Bündnisgrünen und die Sozialdemokraten in diesem Wahlkampf dann am besten vorgehen?

Wie es das Thesenpapier selbst empfiehlt: mit gegenseitigem Vertrauen. Die Signale sind in dieser Hinsicht in letzter Zeit allerdings wenig ermutigend. Interview: Markus Franz