Die Revolution ist noch nicht zu Ende

■ Der beste Freund des Menschen ist der Synthesizer, aber elektronische Musik funktioniert nicht als Erzählweise: „Modulations“ von Iara Lee – ein Film für Studiofrickler und Bekehrte

Allein die fast hundert Namen zählende Liste der an diesem Film Mitwirkenden läßt einen mit Augen und Ohren schlackern: Von A wie Afrika Bambaataa, über E wie Ed Rush und S wie Scanner bis X wie X-Ecutioners sind fast alle vertreten, die sich im Bereich elektronisch erzeugter Musik Rang und Namen erworben haben.

„Modulations“ von der in New York lebenden brasilianischen Regisseurin Iara Lee ist ein Film, der sich mit Vergangenheit und Zukunft elektronischer Musik auseinandersetzt. Das geschieht aber nicht nur platt dokumentarisch, denn wie man uns im Waschzettel mitteilt, will „Modulations“ einen „historischen und kontextuellen Sinnzusammenhang stiften, will „die Bekehrten unterhalten und ,Techno‘ gegenüber denen aufwerten, die diese Musik ablehnen“.

Was nur zum Teil gelingt, da für solcherart Ansprüche „Modulations“ ein allzu rasanter Parforceritt durch insbesondere die letzten dreißig Jahre elektronischer Musik ist. Der Film funktioniert wie ein MTV-Clip, sein erstes Gebot ist Atemlosigkeit, und Analyse und Reflexion geraten da naturgemäß etwas kurz: Wortbeitrag, Schnitt, Videoschnipsel, Schnitt, Live-Auftritt, Schnitt, Wortbeitrag, Schnitt und so weiter und zurück. Im Schnelldurchlauf geht es durch die Geschichte elektronisch erzeugter Musik. Disco, House, HipHop, Acid House, Techno, Gabber, Trance, Ambient, Jungle, jede Spielart bekommt ihre ein, zwei Minuten.

Und auch wenn Leute wie Robert Moog, David Toop oder der englische Musikjournalist Simon Reynolds „Sinnzusammenhänge“ herzustellen versuchen, auch wenn natürlich Stockhausen, Cage, Kraftwerk und Eno als Urväter herangezogen werden: die Leute, die bis dato damit nichts anfangen konnten, dürften etwas überfordert sein mit Historizität und Kontextualitäten von elektronischer Musik. Und auch „Techno-Hasser“ dürften sich beim Schauen und Hören eher bestätigt als angezogen fühlen.

Freuen können sich in der Tat eher die Bekehrten: über das Unverständnis, mit dem Alec Empire der Love Parade, wie wir sie heute kennen, begegnet; über den am liebsten mit Mülltonnen arbeitenden süddeutschen Drum & Bass- Produzenten Panacea; über das britische Techno-Duo Autechre, das in Blässe und Weltabgewandtheit genau dem Vorurteil entspricht, das man gemeinhin von Studiofricklern hat; über Genesis P. Orridge, der in puncto Gehabe und Aussehen eine geile Mischung aus Grande Dame, Tunte und Iron Man repräsentiert. Selbst ein paar Rave-Kids künden gegen Ende von Spa und Auflehnung, Iara Lee läßt da wirklich überhaupt nichts aus.

Was übrigbleibt? Der beste Freund des Menschen ist der Synthesizer, die Revolution 909 ist noch lange nicht zu Ende, und elektronische Musik als Erzählweise funktioniert nicht so richtig. Doch wer will das auch schon? Gerrit Bartels

Forum: heute, 24 Uhr, Delphi; 13.2., 15 Uhr, Arsenal; 14.2., 22.30 Uhr, Zoo-Palast, Kino 7