Baby aus Verzweiflung aus dem Fenster geworfen

■ 15jährige Schülerin verbarg Schwangerschaft vor Eltern. 400 minderjährige Mütter jährlich.

Eine fünfzehnjährige Schülerin, die am Montag ihren neugeborenen Sohn aus dem 10. Stock eines Marzahner Hochhauses geworfen und dadurch getötet hatte, hat sich freiwillig in die Psychiatrie einweisen lassen. Die Jugendliche wurde gestern einer Ermittlungsrichterin vorgeführt, die weder Haft- noch Unterbringungsbefehl gegen sie erließ, wie die Sprecherin der Staatanwaltschaft, Michaela Blume, erklärte. Es bestehe keine Fluchtgefahr oder die Gefahr einer erneuten Straftat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Kindestötung gegen die Schülerin.

Blume sagte, nach Angaben der Schülerin habe diese das Baby aus Panik aus dem Fenster geworfen. Weder Eltern noch FreundInnen oder MitschülerInnen hatten von der Schwangerschaft der Fünfzehnjährigen gewußt. Diese habe ihre Mutter nicht enttäuschen wollen. Nachdem die junge Frau das Baby am Montag gegen 5 Uhr morgens in der Vierzimmerwohnung ihrer Eltern zur Welt gebracht hatte, habe sie ihm zunächst den Mund zugehalten, um den schlafenden Stiefvater durch das Geschrei des Neugeborenen nicht zu wecken, so Blume. In der Annahme, den Säugling dadurch getötet zu haben, hatte sie ihn anschließend in Panik aus dem Fenster geworfen. Der Junge starb wenig später an seinen Verletzungen.

Zunächst hatte die Schülerin eine Anzeige gegen den Vater des Kindes wegen Vergewaltigung gestellt, seinen Namen aber nicht preisgegeben. Blume sagte gestern, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Vergewaltigung.

Minderjährige Eltern sind in Berlin keine Seltenheit, jährlich werden etwa 400 Kinder minderjähriger Mütter geboren. Kindestötungen sind dabei extreme Einzelfälle. Zur Verhinderung von Verzweiflungstaten gibt es außerdem für die unter 18jährigen Mütter und Väter in spe viele Beratungsmöglichkeiten, doch sie werden oft nicht wahrgenommen.

Nach Angaben von Uta von Pirani, Charlottenburger Jugendamtsleiterin, können sich die jungen Eltern sowohl bei den Jugendämtern als auch bei den sozial-medizinischen Diensten und den Beratungsstellen freier Träger Rat und Hilfe holen. „Wenn gewünscht“, so die Jugendamtsleiterin, „auch ohne das Wissen der eigenen Familie oder sogar anonym“. „Aber viele wissen nicht, daß sie sich an uns wenden können. Oder sie haben einfach Angst“, sagt von Pirani. Kerstin Marx