■ Wahrheit-Reporter vor Ort: „Pfeifenraucher des Jahres“ geehrt
: Herrn Joswigs Hobby

Berlin (taz) – „Pfeifenraucher sind charmant, tolerant, humorvoll und in sich ruhend“, verkündete Herr Meyer, der Vorsitzende des Tabak Forums, vom Rednerpult herab. Die Zuhörerschaft, zumeist Herren in bestem Alter und gutsitzenden Anzügen, die höchstwahrscheinlich einen Weinbrand am Geschmack erkennen würden, okkupierte im „Beletage“ des Berliner Hilton die festlich gedeckten Tische. Das Hotelrestaurant war ein bißchen überheizt, und dazu hatten der Alleinunterhalter und sein Kollege einen heißen Rhythmus angestimmt. Es herrschte Klubatmosphäre – obgleich das Tabak Forum eigentlich gar kein Klub ist, sondern der 1968 gegründete „Zusammenschluß aller bedeutenden Hersteller und Importeure, die sich am deutschen Markt für Pfeifen und Pfeifentabak engagieren“. Seit nunmehr 29 Jahren wählt das Tabak Forum alljährlich eine „herausragende Persönlichkeit, die sich selbstbewußt und liberal zum Genuß des Tabaks und des Pfeiferauchens bekennt“.

Die diesjährige herausragende Persönlichkeit, Herr Rüdiger Joswig, freute sich jedenfalls über seinen neuen Titel: „Das ist jetzt wie der Oscar.“ Herr Joswig ist gebürtiger Anklamer, Schauspieler und extra zur Ehrung aus Simbabwe angereist, wo er zur Zeit mit der ARD eine zwölfteilige Fernsehserie dreht, die den Titel „Unter der Sonne Afrikas oder so ähnlich“ tragen wird, womit Herr Joswig aber gar nicht herausgerückt hätte, wenn er nicht von einigen Gästen abgefangen und beharrlich zur Preisgabe dieser Information gedrängt worden wäre. Als Herr Meyer ihm einen Lederkoffer überreichte, worin sich – wer hätt's gedacht? – eine Kollektion schöner Pfeifen befand, witzelte Herr Joswig: „Eine Tasche voller Pfeifen – wer hat das schon?“ Herr Joswig, der das Pfeiferauchen als „mein Hobby und kein Stilmittel“ charakterisiert, befindet sich als „Pfeifenraucher des Jahres“ übrigens in bester Gesellschaft. Geehrt wurden bereits unter anderen Herr Helmut Kohl, Herr Thomas Gottschalk und Herr Constantin Freiherr Heeremann von Zuydtwyck.

Der Laudator, Herr Wenzel, hatte es sich nicht nehmen lassen, dem feierlichen Anlaß und dem seltenen Genußmenschen an sich einige Verse zu widmen und unter Beifall vorzutragen. Dazu wurden verschiedene Melodien auf der Tuba geblasen, und Herr Wenzel trieb einen Schabernack: Er versenkte einige Rauchbomben in der Tubaöffnung, woraufhin es aus derselben herausrauchte. Die Tuba sei nämlich „das Instrument, das der Pfeife am nächsten kommt“. Daraufhin servierte das Personal eine leichte Kartoffelsuppe mit Gartenkräutern, der bald schon eine Barbarie-Entenbrust mit Beilage folgte.

Um die Zeit zwischen zweitem Gang und Dessert – weiße Mousse mit exotischen Früchten – zu überbrücken, griffen wie auf ein geheimes Zeichen hin plötzlich sämtliche Gäste zur Pfeife, Zigarre oder Zigarillo und hüllten die „Beletage“ in dichte Schwaden. Herr Joswig, dessen Gewohnheiten und Ansichten in seiner Position als „Pfeifenraucher des Jahres“ nun besonderes Interesse hervorriefen, verriet der versammelten Gästeschar, daß das Pfeiferauchen sinnlicher mache, wodurch er bei den Frauen mehr Erfolg habe. Dies wurde durch Herrn Joswigs Lebensgefährtin vom Ehrentisch her durch einen kleinen Jauchzer bestätigt, wofür sie prompt vom Tabak Forum mit einem Blumenstrauß belohnt wurde.

Als die Veranstaltung vorüber war, klangen die Verse des Laudators, Herrn Wenzel, in der klaren Nachtluft vor dem Hilton noch leise nach. „Ameerika – schrecklich!“ hatte die Dame vis-à-vis pointiert hervorgestoßen, als das Couplet verebbte: „...denn Raucher gelten dort intim / schlimmer noch als Hussein.“ Monie Schmalz