Brüchiger Waffenstillstand

Nach weiteren Morden an Protestanten in Nordirland fordern unionistische Politiker den Ausschluß der IRA-nahen Sinn Féin von den Friedensgesprächen  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

War es die IRA, oder war sie es nicht? Wieder sind in Nordirland zwei Menschen ermordet worden. Am Dienstag wurde der 38jährige Robert Dougan getötet, einen Tag zuvor hatte ein Attentäter den 30jährigen Drogenhändler Brendan Campbell erschossen. Hinter dem Mord an Campbell soll Direct Action Against Drugs stecken, eine Tarnorganisation der IRA.

Dougan war führendes Mitglied der loyalistischen Ulster Defence Association (UDA). Sein Freund Jim Guiney war im vergangenen Monat ganz in der Nähe des Tatorts in Dunmurray von der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) ermordet worden. Diesmal bestritt die INLA aber jede Beteiligung.

Man muß damit rechnen, daß die UDA ihren Waffenstillstand nun erneut bricht. Vor zwei Wochen hatte die Organisation zugegeben, im Januar drei Katholiken ermordet zu haben, gleichzeitig jedoch eine neue Waffenruhe erklärt. Die Ulster Democratic Party (UDP), der politische Flügel der UDA, mußte die Friedensverhandlungen vorerst verlassen, soll nach einer kurzen Pause aber wieder teilnehmen dürfen.

Die Ulster Unionist Party (UUP) forderte den Ausschluß der IRA-Partei Sinn Féin von den Verhandlungen. „Es ist wahrscheinlich, daß die IRA für beide Morde verantwortlich ist“, sagte UUP- Parteichef David Trimble. „Der Polizeichef wird innerhalb weniger Tage Genaueres wissen, und er hat die Pflicht, den Menschen die Wahrheit zu sagen.“ Paul Murphy, Staatssekretär im britischen Nordirland-Ministerium, warnte Sinn Féin: „Falls sich herausstellt, daß die Attentate von einer Organisation verübt worden sind, die mit einem der Verhandlungsteilehmer verbunden ist, hätte das schwerwiegende Folgen.“

Pfarrer Ian Paisleys Democratic Unionist Party, die den Runden Tisch boykottiert, will dagegen gar nicht erst auf Beweise warten, sondern Sinn Féin sofort ausschließen. „Die Menschen in Nordirland brauchen kein Schuldeingeständnis der IRA“, sagte Paisley-Stellvertreter Peter Robinson. „Sie wissen, daß die IRA schuldig ist.“

Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams wies die Behauptungen zurück und fügte hinzu: „Wir nehmen an den Verhandlungen aufgrund unseres demokratischen Mandats teil. Wir repräsentieren niemanden außer uns selbst, und wir wollen, daß das Morden aufhört.“ Das direkte Gespräch mit Trimble, um das Adams vorige Woche gebeten hatte, ist nach den Ereignissen der letzten Tage in weite Ferne gerückt. Adams hatte seinen Brief mit der Anrede „Lieber Freund“ begonnen – auf irisch, in einer Sprache, die Trimble gar nicht spreche, wie ein Parteikollege erklärte.

Trimbles Antwort war dafür um so deutlicher: Er rede mit Sinn Féin erst, wenn die Partei sich von der IRA losgesagt und sie entwaffnet habe, die Existenz Nordirlands anerkenne und eine nordirische Versammlung sowie einen Rat der Britischen Inseln akzeptiere. Mit anderen Worten: Sinn Féin muß in allen Programmpunkten eine 180-Grad-Wende vollziehen, bevor Trimble mit ihr verhandelt.

Der britische Premierminister Tony Blair ist dennoch weiterhin „vorsichtig optimistisch“, wie er gestern sagte. Seine Nordirland- Ministerin Marjorie Mowlam spricht unverdrossen davon, schon im Mai der Bevölkerung in beiden Teilen Irlands ein Friedensabkommen zur Volksabstimmung vorzulegen. Das hat für neuen Zwist gesorgt, denn Mowlam erklärte, beide Referenden sollten „gleiches Gewicht“ haben. Das brachte Paisley schon wieder auf die Palme. „Das ist ein erstaunliches Eingeständnis, wie weit sie gehen will, um das britische Hoheitsrecht über Nordirland aufzugeben“, sagte er. Sein Sohn fügte hinzu: „Wir lehnen jeden Versuch ab, die Zukunft Nordirlands von einem Volksentscheid in der Republik Irland abhängig zu machen.“

Nächste Woche steht der Runde Tisch in Dublin, weil man sich von der Ortsveränderung einen Motivationsschub erhofft. Wer dann überhaupt noch dabeisitzt, ist zur Zeit unklar.