Alle Verlierer Zentralafrikas sitzen in den Bergen

■ Im Osten Kongos gedeihen Rebellen aus vielen Ländern. Die Regierung Kabila ist machtlos

Die ständigen Milizenangriffe in Ruanda wären nicht möglich, wenn die Angreifer keine Rückzugsgebiete im Osten der Demokratischen Republik Kongo (Ex- Zaire) hätten. Die traditionell unruhige kongolesische Ostprovinz Kivu um Goma und Bukavu ist zum Aufmarschgebiet unterschiedlicher bewaffneter Gruppen aus ganz Zentralafrika geworden. Nach Expertenschätzungen stehen dort zwischen 25.000 und 100.000 irreguläre Kämpfer unter Waffen. Alle Verlierer Zentralafrikas haben sich im Kivu getroffen – mit seinen Bergen und Wäldern ein optimales Operationsgebiet.

Es gibt stammesübergreifende lokale Milizen unter dem Sammelbegriff „Mayi-Mayi“, die sich gegen den Tutsi-Einfluß unter der neuen Regierung Kabila wehren, sowie ruandische, burundische und ugandische Guerillaorganisationen. Es treten auch verstreute Elemente der ehemaligen Mobutu- Armee und versprengte Teile der angolanischen Rebellenbewegung Unita auf, die sich den unterschiedlichen Bewegungen sporadisch anschließen. Die Gemeinsamkeit dieser Gruppen ist die erklärte Feindschaft zu den Regierungen von Kongo, Ruanda, Burundi und Uganda. Eine einheitliche Führungsstruktur und gemeinsame Aktionen kristallisieren sich jedoch nur in Ausnahmefällen heraus.

Jedoch profitieren alle von einem enormen Waffenpotential. Seit der Flucht der geschlagenen ruandischen Hutu-Armee nach Zaire 1994 blüht der Waffenhandel in der Region. Neben dem mitgebrachten Kriegsmaterial aus Ruanda brachten zairische Generäle und Militärvertreter ihre Waffenbestände für Profit auf den Markt. Heute kommt Nachschub unter anderem aus Tansania über den Tanganjika-See, wobei als Ursprungsquelle Tansanias südlicher Nachbar Mosambik in Frage kommt. Angolas Unita ist dabei, sich von einer Rebellenorganisation in eine Diamantenfirma umzuwandeln, und ihre Waffenbestände suchen neue Abnehmer. Und Sudans Regierung bewaffnet ugandische Rebellen im Kongo.

Die kongolesische Regierung von Laurent Kabila verhält sich dabei erstaunlich passiv. Sie kündigt regelmäßig Militäroperationen im Kivu an – allerdings nur gegen die einheimischen Rebellen, und auch gegen diese ist sie nur selten erfolgreich. Kongos Regierung sieht die Lage im Kivu nicht als ihr Problem an, sondern als das der Nachbarländer. „Es ist unannehmbar, daß die ruandischen Milizen ihren Krieg zu uns exportierten“, sagte Kabila Ende Januar. Deutlicher wird einer seiner Berater gegenüber der taz: „Wir können das nicht verhindern“, sagt er zu den Milizenangriffen auf Ruanda. „Im Kongo wird erst Ruhe einkehren, wenn Ruanda und Burundi ihr Hutu-Tutsi-Problem gelöst haben.“

Da die Kämpfe in Ruanda und Burundi aber inzwischen Hunderte von Flüchtlinge über die Grenze in den Kongo treiben, sieht sich die Regierung zu mehr Aktivität gezwungen, um nicht vollends die Kontrolle zu verlieren. In Bukavu sind in den letzten Tagen viele Soldaten aus Kongos Südprovinz Katanga gelandet, um die Grenze zu schließen. Weiter nördlich, um Goma, bereiten sich die Armeen Ruandas und Ugandas darauf vor, auf eigene Faust Militäroperationen gegen die Rückzugsbasen ihrer jeweiligen Rebellen im Kongo durchzuführen.