Ein wahres Szenario des Grauens

■ Planco-Studie: Altenwerder könnte Hamburg Millionen-Verlust bescheren Von Heike Haarhoff

Bitter für die Wirtschaftsbehörde, wenn das Szenario einer Studie, die bloß abschrecken sollte, plötzlich Wirklichkeit zu werden droht. Mit den Zahlenspielen über „Ökonomische Nachteile einer verzögerten Realisierung“ der Hafenerweiterung Altenwerder wollte sich das Amt für Strom- und Hafenbau nichts weiter als die Notwendigkeit des sofortigen Baubeginns bestätigen lassen. Die Essener Consulting-Firma Planco schrieb das gewünschte Ergebnis her: Jede zeitliche Verzögerung, so das Gutachten vom März, das der taz vorliegt, zöge wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe nach sich. Diese „Schreckensvision“ könnte sich nun bewahrheiten:

Der Terminplan sieht vor, bereits im Herbst mit den Aufschüttungsarbeiten zu beginnen. Doch beim Hamburger Verwaltungsgericht sind inzwischen 16 bislang nicht verhandelte Klagen von AnwohnerInnen und Umweltschutzverbänden gegen den Planfeststellungsbeschluß anhängig, Anträge auf aufschiebende Wirkung gestellt. Die Verfahren könnten sich über Jahre hinziehen, setzen Anwälte und Heinz Peter vom BUND auf den Faktor Zeit. Im Planco-Gutachten wird genau hiervor gewarnt: „Sollte sich die Baumaßnahme, z. B. aufgrund von Gerichtsauseinandersetzungen, verzögern, so ist zwar nicht mit dem vollständigen Verlust der (...) Nutzen zu rechnen, wohl aber mit einem Teil derselben, da zwischenzeitlich Kapazitätsengpässe (beim Container-Umschlag, d. Red.) eintreten.“ Und: „Die verspätete Durchführung der Hafenerweiterung schadet (...) dem Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg.“ Der Stadt, so die Studie, entgingen dann Steuer- und Mieteinnahmen; wegen verlorener Arbeitsplätze müßte sie „verstärkt Sozialhilfezahlungen“ leisten.

Die Planco-Studie rechnete drei Verlust-Konstellationen durch:

Fall 1: achtjährige Baubeginn-Verzögerung, Container-Umschlagsentwicklung nach dem „Basisszenario“ (moderates Wachstum, im Jahr 2010 wird mit 4,2 Millionen Normboxen auf 20-Fuß-Basis – TEU – Umschlag gerechnet),

Fall 2: fünfjährige Verzögerung nach dem „Basisszenario“,

Fall 3: fünfjährige Verzögerung nach dem „Sensitivitätsszenario“ (schnelles Wachstum, 5,6 Millionen TEU in 2010).

Die Ergebnisse sind unmißverständlich: „Noch höher ist der Schaden, wenn das – als wahrscheinlicher anzusehende – höhere Umschlagsszenario (Sensitivitätsszenario) zugrunde gelegt wird. Schon bei nur 5 Jahren Verzögerung wird der Schaden (...) auf 2,27 Mrd. DM veranschlagt.“ Beachtlich sind auch Tabellen, aus denen hervorgeht, daß – nach dem Sensitivitätsszenario – die Umschlagskapazitäten im neuen Terminal Altenwerder bereits im Jahr 2003 (!) erschöpft wären.

„Die Alternativen Dradenau- und Petroleumhafen wurden nicht geprüft“, kritisiert GAL-Referent Detlev Grube. Mit einem entsprechenden GAL-Antrag wird sich die Bürgerschaft nach der Sommerpause beschäftigen. Auf den Alternativflächen wären die Kapazitäten erst Jahre später erschöpft. Aber darum gehe es in erster Linie nicht: „Es muß endlich eine Entkopplung zwischen Wachstums- und Flächenbedarf geben.“ Der Senat unterschätze den Wirtschaftsstandort Hamburg, wenn er lediglich auf Flächenausbau setze und Standortfaktoren wie Hinterland, geographische Lage und Dienstleistungen vernachlässige. Das Beispiel Hongkong, im Containerbereich weltweit Hafen Nr. 1, beweise, daß begrenzte Flächen Wachstum nicht verhinderten. Grube: „Das Rationalisierungspotential, was Umschlagsgeschwindigkeit und Stapelfähigkeit angeht, ist in Hamburg nicht erschöpft.“

Folgt man den Container-Umschlagszahlen, die der Verein „Hafen Hamburg Verkaufsförderung und Werbung“ vergangene Woche präsentierte, dann ist mit weiterem Wachstum im hanseatischen Hafen zu rechnen: Im ersten Halbjahr 1995 stieg der Gesamtumschlag im Vergleich zu 1994 um 6,3 Prozent auf 35,7 Millionen Tonnen; Hamburg steht damit auf Platz sieben der „Hafen-Weltrang-Liste“. Bis zum Jahr 2000 soll der Container-Umschlag auf mehr als vier Millionen TEU anwachsen. Für GALier Alexander Porschke kein Grund zum Jubilieren: „Der Trend zur wertschöpfungsarmen Containerschleuse setzt sich fort.“ Sprich: Die Zahl der Arbeitsplätze steigt keineswegs proportional zum Wachstum.