Solange die Knie ins Boot sich beugen

■ Hamburgs einziger Frauen-Ruderclub hat mit Emanzipation nichts am Hut Von Ulrike Winkelmann

„Apfelbaum – offen!“ Zehn kräftige Frauen in kurzen Hosen wenden ein zwölf Meter langes Boot. „Würden sie es andersherum drehen, hieße der Befehl ,Polizei – offen'“, erklärt Ute Bruß, Pressewartin des „Hamburger Ruderinnen Clubs von 1925 e.V.“ (HRC). Die Ruderfrauen haben jedoch keine Geheimsprache, mit der sie sich vom gängigen Wassersport-Deutsch absetzen wollen. Sie wenden einfach nur ihre Vierer, um sie ins Bootshaus zu tragen – rechterhand zum Apfelbaum oder auch Richtung Polizei-Ruderverein.

Zwischen Apfelbaum und der Wassersportabteilung der Polizei liegt in Eppendorf, direkt am Isebekkanal, das Vereinshaus des inzwischen einzigen Hamburger Frauen-Ruderclubs. Bei den „Dresdenia“-Ruderinnen dürfen seit einigen Jahren auch Männer mitmachen. Der HRC jedenfalls hat mit 360 Mitgliedern soviele wie noch nie. Mehr sollen es auch nicht werden, weshalb dieses Jahr ein Aufnahmestopp verhängt wurde.

Die Altersgruppe der 30- bis 40jährigen hat den stärksten Zuwachs, aber es gibt auch eine Kinder- und eine große Jugendgruppe. Dann sind da noch die „Beederkönner“, die aber gar nicht alles besser können, und die „Bankgruppe“, die so heißt, seit in den Sechzigern die Betriebssportgruppe der Deutschen Bank im HRC aufging.

Derzeit laufen die ersten Vorbereitungen für das 70jährige Vereinsjubiläum, das zusammen mit dem Weihnachtsfest gefeiert werden soll. Viel ist passiert in dieser Zeit, auch im und mit dem HRC. Elfriede Schumann, seit den Fünfzigern dabei, hat davon manches miterlebt. In Vereinshaus und Gymnastikraum schauen wir zusammen mit der Ehrenvorsitzenden Fotos aus sieben Jahrzehnten Hamburger Ruderinnengeschichte durch.

Im Dezember 1925 mit zehn Damen und drei Schülerinnen gegründet, war die „Damen-Ruder-Riege des Allgemeinen Alster-Clubs von 1844“ bereits drei Jahre später die größte Damen-Rudervereinigung Deutschlands, die im Mai 1929 zum selbständigen Verein wurde. Entgegen männlicher Bedenken – wegen der Weiblichkeit und überhaupt: die Anstrengung! – ruderten die Frauen ab 1931 richtige Rennen. Bis dahin hatten sie sich auf Stil- und Stilschnellrudern beschränken müssen – optisch erquicklich und garantiert feminin.

Drei Deutsche Meisterschaften

Über die Zeit von 1933 bis 1945 fällt Bruß und Schumann nicht viel zu erzählen ein. Die jungen Frauen wären beim Bund Deutscher Mädel (BDM) gewesen, ehe sie mit 18 Mitglied im Ruderinnenclub werden durften. Mehr ist leider nicht zu erfahren. Lieber sprechen sie über die sportlichen Erfolge. Anfang der Fünfziger war die Glanzzeit des Vereins, als die Hamburgerinnen von 1951 bis 53 dreimal in Folge den Deutschen Meisterinnentitel im Vierer gewannen. „Zwei Frauen von den Sieger-Teams rudern heute noch“, berichtet Elfriede Schumann, „die sind jetzt über 70.“ Überhaupt könne frau rudern, „solange sie die Knie ins Boot gebogen bekommt“. Die älteste Ruderin ist erst vor kurzem 84 Jahre alt geworden.

Und wenn Knie oder auch Rücken nicht mehr wollen, gibt es noch eine Bridge-Gruppe, die sich aus dem Verein speist. Außerdem werden Ausflüge und Wanderfahrten „ganz großgeschrieben“, freut sich die Pressewartin. „Dann legen wir uns zum Übernachten mit dem Schlafsack ins Bootshaus und nicht, wie die Männer, ins Hotel.“ Männervereine seien im Vergleich wesentlich reicher, verlangten aber auch doppelt so viel an Mitgliedsbeiträgen wie der HRC, der 320 Mark pro Jahr fordert. „Frauen kann man nicht so viel abnehmen, schließlich haben die auch nicht so viel.“

Ganz auf Gegenseitigkeit

Von einem feministischen Ansatz will Bruß dennoch nichts wissen: „Etwas Emanzipatorisches“ sei der Verein überhaupt nicht. „Die Frauen wollten rudern und durften nicht in die Männervereine, da haben sie eben einen eigenen Club aufgemacht. Das ist historisch gewachsen“, pflichtet Ehrenvorsitzende Schumann bei. Die Sache mit der Unterdrückung der Frau bekomme Ute Bruß von ihrer ebenfalls rudernden Tochter („Die ist doch im Leben noch nie unterdrückt worden!“) auch immer zu hören, aber damit habe sie selbst „nichts am Hut“. Die Diskussion ums Patriarchat erscheint ihnen „verkrampft“. Elfriede Schumann sieht da keine Probleme: „Wir wollen mit Frauen rudern, und die Männer sind froh, uns los zu sein, das läuft alles ganz auf Gegenseitigkeit.“