„Helft euch selbst!“

■ Chief Floyd Heavy Runner sprach im Völkerkundemuseum über Probleme und Selbstbewußtsein der Blackfoot-Indianer

„Warum ziehst du dich nicht an wie ein richtiger Indianer?“ fragt das Kind, und Chief Floyd Heavy Runner von den amerikanischen Blackfoot in T-Shirt, Jeans, Gürteltasche und Mokassins erfährt wieder einmal, was im Karl-May-geschulten Deutschland immer noch von seinesgleichen erwartet wird.

Am Mittwoch abend hatte der Halkomelen-Skwa-La David Seven Deers, der seit Monaten in Hamburg an einem Totempfahl arbeitet, eine Blackfeet-Delegation zu Gast. Am Lagerfeuer im Innenhof des Museums für Völkerkunde präsentierten in der Veranstaltung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor mehr als 300 Besuchern Mary Ellen Little Mustache und ihr Mann ihren Kampf um ihre kulturellen Werte. Dem Traditionsverwalter und Kriegshäuptling seines Stammes in den Rocky Mountains von Montana hatte schon sein Vater empfohlen, Deutschland zu besuchen. Der war nämlich als GI nach dem Weltkrieg hier gewesen.

Indianer werden noch immer nicht als gleichberechtigt behandelt, alte Verträge werden gebrochen, ungeschrieben tradiertes Recht wird nicht anerkannt. Daran ändert auch die von der Uno 1994 ausgerufene „Dekade der indigenen Völker“ nichts. Konkret geht es in diesem Falle darum, Ölbohrungen von Fina und Chevron im Berggebiet „Badger Two Medicine“ zu verhindern. Das 500 Qua-dratkilometer große, straßenlose Wildgebiet zwischen der Reservation und mehreren Naturschutzgebieten ist nicht nur den Pikuni – wie sie sich selbst nennen – heilig, es ist auch eines der letzten intakten Ökosysteme US-Amerikas.

So verbindet sich der Kampf für die eigenen Traditionen mit dem ökologischen Argument bis hin zum Klischee des „Noble Green Savage“. Da die Heiligkeit von Orten nicht meßbar ist und Argumente ganzheitlicher Vernunft für eine intakte Natur im Wirtschaftssystem nichts gelten, spitzen sich Ansprüche auf Ausbeutung von Bodenschätzen auf die reine Machtfrage zu: Wem gehört das Land?

Die Mittel dieser Auseinandersetzung haben sich etwas geändert. Vor 125 Jahren rottete die US-Armee ein ganzes Dorf aus: 172 Frauen, Kinder und Alte wurden ermordet. Zwar werden Indianerführer noch heute physisch bedroht, doch inzwischen überwiegt bei den Blackfeet die Hoffnung. Seit 1989 kämpfen sie für ihre Rechte, die Bevölkerung nimmt wieder zu. 36.000 Blackfeet leben auf beiden Seiten der Kanadisch-US-Amerikanischen Grenze.

Am Ende des Vortrags wurde dann die deutsch-gründliche Frage gestellt: „Was wollt ihr, das wir hier für euch tun?“ – aber die Antwort ließ keine leichte Lösung zu. Erstens ist das alles sehr kompliziert und eigentlich ihre eigene Sache, zweitens soll man Briefe an Präsident Clinton und Innenminister Bruce Babbit schreiben, drittens Geld spenden, aber viertens geht es vor allem überhaupt um viel mehr. Es geht um Verständnis und Respekt vor anderen Lebensweisen und den Gesetzen und um eine entschieden spirituelle Botschaft.

Chief Heavy Runner formulierte ein geradezu beängstigend hohes Selbstbewußtsein, das den Gedanken, sie seien Bittsteller, gar nicht aufkommen ließ: „Uns hat es vor den Weißen gegeben, wir haben mit Hilfe unserer spirits bis heute überlebt, und es wird uns in alle Zukunft geben.“ Im Schlußwort betonte David Seven Deers: Sie wollten nicht den Kampf predigen und große Gefühle vom Krieg erzeugen, es gehe um das Leben und den Erhalt der Lebensmöglichkeiten auf der Erde, also auch gleich hier bei uns: „Helft nicht uns, helft euch selbst!“

Hajo Schiff

Petitionen und Informationen: Verein zur Unterstützung nordamerikanischer Indianer, c/o Briese, Elsgrabenweg 12, 13597 Berlin,