Frei? Mundhalten!

■ JVA-Prozeß: Gab es Offenen Vollzug als Schweigeprämie?

Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff ist laut Zeugenaussage unmittelbar nach den Mißhandlungen von mutmaßlichen Sexualstraftätern in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen auf die Taten hingewiesen worden. Das hat gestern jedenfalls ein Zeuge vor Gericht ausgesagt. Wie berichtet, müssen sich derzeit vier Häftlinge und eine Beamtin wegen Körperverletzung und Körperverletzung im Amt vor dem Amtsgericht verantworten. „Ich habe den Abteilungsleiter informiert und mit Hoff gesprochen“, sagte ein ehemaliger Insasse gestern aus. Doch weder der ehemalige Anstaltsleiter Hoff, noch der Abteilungsleiter hätten ihm geglaubt, so der Mann. „Hoff hat nur gesagt, daß das nicht angehen könne.“Er habe sich deshalb an die Presse gewandt. Nachdem die taz und der Weser-Kurier über die Vorfälle berichtet hätten, sei er sofort in den offenen Vollzug verlegt worden. „Aber nur unter der Bedingung, daß Sie den Mund halten“, hätte der Abteilungsleiter gesagt, erzählte der Zeuge.

Mehrere Insassen hätten ihm damals unabhängig voneinander erzählt, daß mutmaßliche Sexualstraftäter unter Mithilfe von Beamten in der Anstalt geschlagen würden. Mit eigenen Augen gesehen hätte er dagegen, wie ein Algerier im Freigängerhof von drei Häftlingen zusammengeschlagen worden sei. Die Häftlinge hätten den Mann in den Magen geboxt. Der Algerier sei zu Boden gegangen und hätte geschrien. Er habe neben dem zwischenzeitlich wegen Körpverletzung im Amt angeklagten Beamten Jürgen N. gestanden und ihn auf die Schlägerei aufmerksam gemacht, sagte der Zeuge weiter. Doch N. hätte nur mit den Achseln gezuckt und gesagt: „Selbstgemachte Leiden“. Nach einer Weile sei der Beamte zu dem Algerier gegangen und hätte ihn schroff angefahren, er solle aufstehen. Dann sei der Geschlagene abgeführt und in seine Zelle gesperrt worden.

Die Aussage deckt sich mit den Angaben des Opfers, das ebenfalls gestern vor Gericht ausgesagt hat. Er sei von drei Männern angegriffen worden, berichtete der Mann, der damals wegen Diebstahls in der JVA einsaß. Die drei Männer hätten ihn geschlagen und getreten, so daß seine Zahnprothese zu Bruch gegangen sei. Obwohl er stark geblutet habe, hätte der Beamte ihn nur in die Zelle gesperrt und gesagt: „Hier kannst Du weiter heulen.“Obwohl er den Beamten gebeten habe, einen Arzt zu rufen, sei nichts geschehen.

Etwa zwei Wochen später habe er eine Beamtin, die gerade aus dem Urlaub gekommen war, gebeten, eine Meldung zu schreiben. Am nächsten Tag hätte der Abteilungsleiter mit der Meldung in der Hand vor ihm gestanden und gefragt: „Warum willst Du den Chef sprechen“. Danach sei seine Beschwerde im Sande verlaufen. Erst als die Polizei ihn einige Zeit nach seiner Entlassung zu Hause aufgesucht hätte, habe er Anzeige erstattet. Danach sei er von einem Mann gewarnt worden, er solle keine Aussage machen. Dieser Mann habe ihm gegenüber geäußert, er sei von einem der Angeklagten geschickt worden.

Der Zeuge erkannte zwei der Männer, die ihn angeblich geschlagen haben sollen, im Gerichtssaal wieder. Die Angeklagten bestreiten die Tat. Diese Häftlinge hätten im Knast Narrenfreiheit gehabt, sagte der Zeuge aus. „Die konnten machen, was sie wollten. Er war der Tarzan vom Knast“, sagte der ehemalige Insasse und zeigte auf einen Angeklagten. kes Der Prozeß wird fortgesetzt