Aus zwei mach vier mach fünf

■ Das Hopi Quartet und das Duo Garcia-Fons / Marais eröffneten im KITO Einblicke in die aktuelle französische Jazzszene

Franzosen sind sympathische Geschöpfe. Sie wissen, ohne daß man es ihnen erst noch umständlich erläutern müßte, daß etwa ein Konzert, dessen Beginn offiziell auf 20 Uhr terminiert wurde, natürlich nicht schon um 20 Uhr beginnt. Nicht nur drückt sich darin eine souveräne Überlegenheit über die lachhaften Anforderungen des chronometrischen Diktats aus. Nein, zugleich zeigt man dadurch unmittelbar sein Herz für gestreßte Kritiker, die nach dem täglichen Produktionsschluß abgehetzt ins ferne Vegesack eilen, um im KITO sympathischen Franzosen zuzuhören. Wie gesagt, eigentlich zu spät. Aber für das der Pariser Jazzszene entstammende Duo Renaud Garcia-Fons und Gérard Marais noch so pünktlich, daß man in französischer Gelassenheit Platz nehmen, in Ruhe den Weg zur Biertheke hinter sich bringen konnte und anschließend ohne jedes Streßgefühl die Pobacken so zu plazieren wußte, daß dem ungestörten Konzertgenuß nichts mehr im Wege stand.

Und kaum, daß sich die ersten Töne ihren Weg durch den Dachstuhl des KITO bahnten, war klar: Dieser Weg hatte sich gelohnt. Intime, feine Improvisationen wechselten im Spiel des Kontrabassisten Garcia-Fons und des Gitarristen Marais mit mächtig schnaubenden Passagen, die ihre Herkunft aus dem Rock'n'Roll stolz zur Schau trugen. Überhaupt glich das Konzert des Duos einem permanenten Medley der Stile. Eben noch eine Hommage an den guten alten Blues in die Luft entlassen, geleitete Garcia-Fons im nächsten Augenblick gekonnt per Bogenstrich das spärlich vertretene Publikum in orientalische Basare, um dann den musikalischen Teppich für Marais auszurollen, der zwischenzeitlich zur hallenden E-Gitarre gegriffen hatte, um die Reise mit sphärischen Sounds fortzusetzen. Nach einer Stunde war bereits die Endstation erreicht. Notgedrungen stieg man ins nächste Konzert um.

Das Hopi Quartett verwirrte die Sinne. Fünf Musiker – unter ihnen auch Marais und Garcia-Fons – tummelten sich zumeist auf der kleinen Bühne. Aber wer die Uhrzeit schon sehr eigen auslegt, läßt sich konsequenterweise nicht vorschreiben, aus wie vielen Musikern ein Quartett zu bestehen hat. Versprach die ungewöhnliche Besetzung – Michel Godard (Tuba), Jean-Francois Canape (Trompete) und Youval Micenmacher (Percussions) – ein zumindest originelles Konzert, konnte das Viererquintett diese Erwartung doch nur zum Teil durch musikalische Qualität bestätigen. Vor allem der von der Fachpresse hochgelobte Micenmacher imponierte eher durch technische Finessen im Umgang mit seinen diversen Schlaginstrumenten, als daß es ihm gelang, mit seinem Spiel der Gruppe zu einem eigenen Profil zu verhelfen. Auch Canapes minimalistischer Ton wirkte zuweilen deplaziert angesichts der ausladenden Spielfreude seiner Mitspieler. Allein der stämmige Michel Godard setzte mit seiner ebenso mächtigen Tuba immer wieder brummende Highlights und führte eindrucksvoll vor Ohren, weshalb dank Godard die Tuba mittlerweile ihre Funktion als reines Begleitinstrument im Jazz verloren hat und stattdessen als wunderbares Soloinstrument entdeckt worden ist. zott