Naturschutz unterlegen – Wesertunnel kommt

■ Der erste Spatenstich für den Wesertunnel steht bevor / OVG schmetterte drei Anträge auf „Einstweilige Anordnungen“ab / Naturschützer ziehen Klage zurück

Die Weser wird zwischen Desdesdorf und Kleinsiel getunnelt. Und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) will seine Klage dagegen zurückziehen. Denn das Oberverwaltungsgericht(OVG) in Lüneburg gibt einem Widerstand gegen den Tunnel wenig Chancen.

Seit Dienstag sind Arbeitstrupps auf dem Deich bei Kleinsiel/Rodenkirchen dabei, eine Asphalttrasse auf die Schafsweide zu deckeln. Der Grund: Am kommenden Montag sollen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) und Niedersachsens Verkehrsminister Peter Fischer (SPD) trockenen Fusses den ersten Spatenstich für den geplanten Wesertunnel in den Kleiboden stemmen. Umweltschützer, Verbände und Bauern aus dem Umland und Bremen haben angekündigt, mit Protestaktionen vor Ort ihren Widerstandswillen zu zeigen.

Insgesamt drei Anzeigen waren gegen den Sofortvollzug des Tunnelbaus vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg anhängig. Der Nabu und der Naturschutzverein Niedersachsen (NVN) klagten gegen die Zerstörung von geschützten Vogelrückzugsgebieten; ein Bauer klagte mit Unterstützung des Bremer Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Beeinträchtigung seiner Landwirtschaft durch den zu erwartenden Durchgangsverkehr; der CDU-Fraktionsvorsitzende der Gemeinde Stadland klagte ebenfalls – sein Haus liegt direkt an der geplanten Zufahrtsstraße zum Tunnel.

Jetzt hat das OVG Lüneburg zwar die Klagen als zulässig erklärt, ihnen aber wenig Erfolg im Hauptverfahren bescheinigt. Die 42 Seiten lange Begründung des Urteil findet Hans Otto Meyer-Ott, Koordinator der Tunnelgegner vor Ort, als „zutiefst politisch“: „Wichtige Belange der europäischen Vogelschutz-Richtlinien sind nicht berücksichtigt worden“, protestiert Meyer-Ott.

Trotzdem will der Nabu, einer der Hauptkläger, seine Klage nicht mehr aufrechterhalten. „Wenn wir keine Aussichten auf Erfolg haben, bleibt uns keine andere Wahl“, erklärt Ulrich Thüre, Sprecher des Nabu-Niedersachsen. Auch über eine Beschwerde bei der Europäischen Union wegen einer Verletzung der wertvollen Feucht- und Flachwasserbiotope am Weserufer haben die Naturschutzverbände bislang nicht entschieden. Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Gila Altmann, ist enttäuscht: „Die Bundesregierung will mit dem Bau des Tunnels Fakten schaffen, bevor alle Kritik an dem Projekt ausgeräumt ist.“

Der Bundesrechnungshof hat den Wesertunnel bereits als unzureichend finanziert dargestellt. Der Tunnelbau wird jetzt von einem privaten Baukonsortium mit einer halben Milliarde Mark vorfinanziert. Der Bund muß die Schulden über Jahre abstottern. Der öffentliche Regionalverkehr in der Wesermarsch und im Landkreis Cuxhaven droht mit dem Bau des Tunnels finanziell zusammenzubrechen. Die Fähren über die Weser, die bis jetzt ein Plus eingefahren haben und so den Busnahverkehr subventionieren, werden mit dem Bau des Tunnels eingestellt, befürchtet ein Sprecher der Verkehrsbetriebe Wesermarsch (VBW).

Und Touristenverbände klagen, daß das Verkehrsaufkommen nach dem Bau des Tunnels so erheblich sein werde, daß der Fremdenverkehr in der Region beeinträchtigt würde. Thomas Schumacher