Interview
: Willkürlicher Prozeß

■ Völkerrechtler Norman Paech über das Verfahren gegen Mumia Abu-Jamal

Auf den heutigen Tag war der Hinrichtungsbefehl für den afro-amerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal ausgestellt, jetzt ist er „auf unbestimmte Zeit“ verschoben. Der Hamburger Professor für Völkerrecht, Norman Paech, war bei den Anhörungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens dabei, steht mit Jamals Anwälten in engem Kontakt und hat den wegen Polizistenmordes verurteilten Autor schon 1990 in der Todeszelle besucht.

taz: Wie lief die Anhörung ab, wie waren Ihre Eindrücke?

Norman Paech: Die Verteidigung brachte Tatsachen vor, die zeigen, daß der Prozeß von 1982 mit rassistischen Vorurteilen geführt wurde und daß wichtige Fakten und Zeugen nicht berücksichtigt worden sind. Ich habe es so empfunden, als ob das auf den Richter Sabo keinen Eindruck gemacht hat. Sabo ist ein ausgesprochen harter, autoritärer Mann, der mich an die eher negativen Teile deutscher Richterschaft erinnert. Ich halte das für einen Mangel des Systems: Der Richter muß über sein altes Verfahren entscheiden.

Wie schätzen Sie den Sachverhalt ein: Ist Abu-Jamal unschuldig?

Egal, ob er schuldig oder unschuldig ist: Auf jeden Fall verdient er ein faires Verfahren, was er ganz offensichtlich nicht gehabt hat. Außerdem: Selbst wenn er schuldig wäre, würde ich sagen, er verdient auf gar keinen Fall ein Todesurteil. Zur Frage seiner Schuld kann ich nur sagen, daß die Vielzahl der Widersprüche und Willkürlichkeiten des Prozesses mir derzeit mehr für seine Unschuld spricht.

Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?

Ich nehme an, daß der Richter die Wiederaufnahme bald ablehnen wird. Falls es doch dazu kommt, kann das durchaus noch zwei Jahre dauern.

Welche Protestform gegen die Exekution halten Sie für am geeignetsten?

Wir müssen weiter Druck auf die Öffentlichkeit und somit auf die Richter machen. Erstens um die internationale Überzeugung zu vermitteln, daß es sich um ein unfaires Verfahren gehandelt hat. Zweitens um den USA nach wie vor die europaweite Ablehnung der Todesstrafe deutlich zu machen.

Fragen: Timo Hoffmann