Rechtsfreier Knast

■ GAL fordert Aufklärung der Vorwürfe

„Rechtsfeindlichkeit“ und „rechtsstaatswidrige Äußerungen“ bescheinigte das Hamburger Landgericht dem Leiter der Justizvollzugsanstalt I, Peter Weiß (taz vom 12. 8. 95). Die Bürgerschaftsfraktion der GAL fordert nun in einer kleinen Anfrage den Senat auf, die Vorwürfe gegen den Knast-Chef aufzuklären. Die taz-Berichte „stimmen mit den dem Fragesteller vorliegenden Erkenntnissen überein“, begründete der GALier Manfred Mahr sein Begehren.

Weiß soll den Gefangenen seiner Anstalt gewohnheitsmäßig ihre Rechte verweigern. So müßten eine Vielzahl von Urlaubs- und Ausgangsanträgen erst gerichtlich eingeklagt werden, würden unverhältnismäßige Disziplinarstrafen verhängt und Insassenvertreter schikaniert. Daher will Mahr vom Senat wissen, ob Maßnahmen wie drei Tage Iso-Haft wegen Fütterung von Tauben, „mit dem Grundsatz eines liberalen Strafvollzugs vereinbar ist“.

Außerdem muß nach Ansicht der GAL geklärt werden, ob Häftlinge verschiedener Anstalten ungleich behandelt werden dürften. So würden im benachbarten Santa Fu zum Beispiel Kühlboxen und Kleintierhaltung erlaubt, in der Anstalt I jedoch nicht. „Teilt der Senat meine Auffassung, daß auch bei dieser Frage der alltäglichen Vollzugsgestaltung eine Verletzung des zwingend vorgeschriebenen Gleichheitsgrundsatzes vorliegt?“ fragt Mahr.

Da die Strafvollzugskammer des Hamburger Landgerichts die rechtsfeindliche Praxis des Anstaltsleiters Weiß in über 30 Fällen massiv kritisiert hat, will die GAL wissen, was der Senat zu tun gedenkt, um den Knackies einen Vollzug „auf der Grundlage des Strafvollzugsgesetzes“ zu garantieren.

„Wenn Fälle bekannt werden, werden die zum Anlaß genommen, um Gespräche mit Herrn Weiß zu führen“, gab sich Justizbehördensprecherin Sabine Westphalen sehr allgemein. Gegebenenfalls würde Weiß dann gebeten, „den Standpunkt des Strafvollzugsamtes zugrunde zu legen“. Ob Weiß ernsthaft abgemahnt und zur Kenntnisnahme der Existenz des Strafvollzugsgesetzes angehalten wurde, wollte Westphalen nicht bestätigen. Silke Mertins