Die Rodung des Steindamms

Geht es nach einem Gutachtervorschlag, werden die Bäume in der Straßenmitte gefällt. Hübsch, findet GAL-Senator Maier  ■ Von Heike Haarhoff

Auf beiden Straßenseiten Spielhallen, Sexshops. Dazwischen ein Optiker, Dönerbuden, das Hansa-Theater, Stundenhotels. In Hauseingängen wickeln zwielichtige Gestalten ihre Geschäfte ab. Der Steindamm in St. Georg, drei Schritte vom Hauptbahnhof, ist kein Ort für einen Einkaufsbummel. Einer zum Wohnen schon gar nicht: Der innerstädtische Verkehr kommt selbst nachts nicht zur Ruhe; das einzige Grün zwischen Rotlicht und Leuchtreklame ist die Baumreihe in der Straßenmitte.

Doch genau die ist nun von der Abholzung bedroht: 38 Laubbäume, die vor etwa 20 Jahren auf der stillgelegten Straßenbahntrasse gepflanzt wurden, könnten demnächst gerodet werden – weil sie angeblich eine „für Fußgänger trennende Wirkung“haben. So jedenfalls will es der gutachterliche Vorschlag der Hamburger Architekten- und Ingenieurgemeinschaft ASW zur städtebaulichen „Umgestaltung des Steindamms“, der auch die Unterstützung von Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) findet. Sind die Bäume erstmal weg, würden die Fahrbahnen in die Mitte gerückt, die Gehwege verbreitert und mit einer „alleeartigen Baumpflanzung“versehen. Die Zahl der Parkplätze bliebe etwa gleich.

Kostenpunkt der Maßnahme nach ASW-Angaben: drei Millionen städtische Mark. Das ist vergleichsweise so viel Geld, wie die Stadtentwicklungsbehörde Mitte der 90er Jahre flüssig machte, um Identität und Image des 50.000-Einwohner-Stadtteils Wilhelmsburg aufzubessern. „Visuell sehr hübsch“, sagt Maiers Pressesprecherin Ina Klotzhuber, habe der Senator „diese Variante“gefunden. Ob das Gutachten, das die Stadt im vergangenen Herbst trotz Haushaltsnot für rund 280.000 Mark Honorarkosten in Auftrag gab, tatsächlich umgesetzt werde, hänge aber keineswegs vom Geschmack Maiers, sondern „allein davon ab, ob der Bezirk Mitte zustimmt“.

Und der hat die Entscheidung bei seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag zunächst vertagt. „Ein bißchen Garnierung von Parkplätzen“sei der Entwurf, schimpft die grüne Bezirksabgeordnete Ursula Schneider, „das kann es doch wohl nicht sein“.

Eine „qualitative Verbesserung“des Steindamms sei mit diesem Konzept nicht zu erwarten. Auch SPD-Fraktionschef Jan-Hinrich Fock findet, daß „die alten Bäume ein gewisses Recht haben“. Zumal sich ihr Wert auf gutachterlich geschätzte 240.000 Mark beläuft. Es muß ja „nicht zwangsläufig auf eine Gutachter-Lösung hinauslaufen“, beschwichtigte der Stadtplanungschef aus Mitte, Peter Illies, den Ausschuß.

Doch auch Sanierungsträger murren. Das „Entwicklungskonzept Steindamm“, erinnert Stefan Seifert, Mitarbeiter der Firma ASK, datiert von 1996, ohne daß die vom Rotlichtmilieu abgenervten AnwohnerInnen bislang irgendeine Verbesserung gespürt hätten. Und „wenn man wirklich einen Neubeginn sehen will, dann muß man die Bäume jetzt fällen“.