Deckmantel Ska

■ Kunterbunt und quirlig: Tatort aus Bremen spielen heute abend in der Buchtstraße

Egal, was sie in den Discos spielen: die heißeste Tanzparty, die heute abend stattfindet, lebt von handgemachter Musik. Die, die sie spielen, feiern am Valentinstag ihr zweijährigen Bühnenjubiläum: Tatort, Bremens bundesweit umjubelte Senkrechtstarter in Sachen Ska.

Land auf, Land ab tobt der Mob, wenn die Bremer mit ihrem fulmi-nanten Mix aus alten Madness- und Specials- Harmonien, entfesselter Percussion, Posaune, Trompete und Akkordeon losbrettert. Der Sound erinnert an lustige, hüpfenden Gummibälle. Freundliche Bläserharmonien schmiegen sich um die variantenreichen Gitarrenläufe. Rasant und beschwingt boppt dazu der Genießerbass die Tonleitern rauf und runter. So spielfreudig, bunt und chaotisch klingen nur wenige Bands – erst nicht solche, die Ska machen.

Basser Frank und Schlagzeuger Eric versuchen schon seit einigen Jahren in verschiedenen Formationen, im Geiste der kalifornischen Ska-Punk-Legende Operation Ivy dem Off-Beat zu huldigen. Nun sind die beiden Kern eine Ska-Truppe, die mittlerweile auf neun Musizierende angewachsen ist. Zwanzig Auftritte zwischen Oberhausen und Berlin stehen auf der Haben-Seite. Doch außer einem Demo-Tape gibt es keine Tonträger, die von der Größe dieser Kapelle zeugen. „Eine LP wollen wir schon machen,“sagt Bassist Frank. „Aber wenn es ein Gesetz für uns gibt, dann das von der Trägheit der Masse.“

Denn die Unfähigkeit, neun Meinungen zu einer Sache unter einen Hut zu bringen, ist das größte Handicap der Band. Oft wird einfach abgestimmt, wer was wie spielen soll, damit es beim Proben überhaupt voran geht. „Andererseits bringt so jeder etwas anderes in die Band mit,“sagt Mareike, die Posaune bei Tatort spielt. „Und die Vielseitigkeit ist das, was uns einzigartig macht.“

Warum aber lebt man Vielfalt ausgerechnet bei einem so einseitig angelegten Musikstil wie dem Ska aus? Basser Frank: „Der Off-Beat bringt dich einfach nach vorne und ist super tanzbar.“Doch auch wenn Gitarrist Arne mit seiner exquisit sortierten Ska-Plattensammlung seit Jahren versucht alle Bremer Partygänger – und besonders seine Bandkollegen – für die Reize des Off-Beats zu begeistern, sind die meisten eher wegen der Band als wegen des Ska dabei. Durch das stoische Wiederholen von immer der selben rhythmischen Figur ist das Mitmachen einfach. Mit doofem, schunkeltauglichem Umtata aus dem Musikantenstadl habe das aber nichts zu tun, sagt Mareike. „Zum Off-Beat kannst du nicht marschieren, genauso wie du nicht zum Walzer marschieren kannst. Du kannst nur fröhlich rauf und runter springen.“

Außerdem düdelt permanent ein an die jüdische Klezmer-Musik angelehntes Akkordeon durch die Tatort-Stücke. Einschmeichelnde Bläserlinien, Folk-Klänge oder Osteuropäische Volksmusik ergänzen den Off-Beat um ein Vielfaches eleganter, als es ein schales „Oi Oi Oi“kann. „Im Grunde genommen machen wir alles andere als puren Ska,“sagt Mareike. Und auch Frank gibt zu: „Der Purismus von früher ist bei mir weg. Ska ist nur der Deckmantel, unter dem wir den Rest ausleben.“Diese Extraportion folkige Beschwingtheit führt dazu, daß man in den besten Momenten gar an Straßenmusik von Welt, etwa die verzweifelt-rotzigen Hymnen von Mano Negra oder Les Negresses Verdes, erinnert wird. Und das macht die wahre Größe von Tatort aus.

Lars Reppesgaard

Tatort spielen zusammen mit der Ska-Band No Respect am 14. 2. um 21.00 Uhr in der Buchtstraße.