In nur drei Monaten zum Erfolg

Junge und alte Erfinder besitzt die Stadt zur Genüge. Die Ideen der Tüftler sind gut. Doch die Industrie kümmert sich zuwenig um die Weiterentwicklung der Produktideen  ■ Von Markus Viehauser

„Ein bißchen Romantik ist nicht schlecht beim Erfinden“, erzählt Martin Regehly aus Köpenick und grinst dabei. „Abends, nach dem Zivildienst, verziehe ich mich in meinen Bastelkeller zum Tüfteln. Drähte sind kreuz und quer gespannt. Es herrscht gedämpftes Licht, und niemand stört die kreative Unaufgeräumtheit.“ In dieser Atmosphäre aus Laboratorium und Experimentierkabinett, sagt er, „kommen mir die besten Ideen, da kann ich mich entfalten“.

Der 19jährige Martin gehört zu den rund 6.000 jungen Erfindern der Republik – und zählt zu den erfolgreichen in der Branche. Er ist Teilnehmer am bundesweiten „Jugend forscht“-Wettbewerb, der vom Bund, der Industrie und den örtlichen Schulen gefördert wird. Diese Woche wurde er im Regionalwettbewerb Berlin-Süd mit seiner Arbeit ausgezeichnet: In nur drei Monaten entwickelte er einen hochauflösenden Zeilenscanner, eine Art Digitalkamera, die herkömmliche Geräte qualitativ weit übertrifft. Zusammen mit fünfzehn weiteren jungen Ausstellern bei der Patenfirma Berlin-Chemie AG wird er nun für den Landeswettbewerb nominiert.

„Um solch ein Produkt zu entwickeln“, betont der Zauberlehrling, „braucht man natürlich ein ruhiges Umfeld. Wenn es im Haus hektisch wäre, dann wäre das Erfinden unmöglich.“ Aber in der beschaulichen Atmosphäre des Bastlerkellers könne man sich eben gut konzentrieren. Das einzige, was der Tüftler während der Entwicklung seiner Kamera vermißte, war, einen Kollegen zu haben, mit dem er seine Arbeit und Erfolge hätte teilen können und der ihn bei Problemen unterstützt hätte. Junge Erfinder als Einzelkämpfer?

Beim „Jugend forscht“-Wettbewerb trifft dies vor allem auf die männlichen Teilnehmer zu: Deren Projekte entstanden oft beim einsamen Programmieren am Computer. Die weiblichen Teilnehmerinnen bildeten dagegen Teams und machen sich gemeinsam an die Lösung des Problems, berichtet ein Mitglied des Auswahlgremiums. Auch die Themenwahl erinnert an die geschlechtsspezifischen Erfahrungen, die man bereits in der Kinderstube sieht. Die Jungs arbeiten vorwiegend an technischen Fragen, während die Mädchen verstärkt im Bereich Chemie, Biologie und Ökologie ihre Wettbewerbsergebnisse abliefern.

„Erfindungen entstehen aus simpler Notwendigkeit“, wiegelt Daniel Chobe ab, der sehr anschaulich seinen präzisen Geschwindigkeitsmesser vorführt, hergestellt aus Mutters Taschenspiegeln, einem Laptop mit der entsprechenden Software und einem Laserpointer. Das ist so ein Ding, mit dem unverschämte Zeitgenossen den anspruchsvollen Cineasten zur Weißglut treiben. Genau wie Martin betont Daniel die Notwendigkeit eines geeigneten Umfeldes zum Erfinden: einen Raum zum Experimentieren und – wie im Fall des Zeilenscanners – einen der wenigen am Wettbewerb beteiligten Berliner Industriebetriebe, der mit seiner technologischen und finanziellen Hilfe die Entwicklung eines vielversprechenden Projektes ermöglichte.

Doch die Hilfen von seiten der großen Unternehmen bleiben im jungen Erfindermilieu Ausnahmen. Zwar existiert in der Stadt ein enormes Innovationspotential, doch bislang beschränkten sich Wirtschaft und Industrie lediglich auf Wissenstransfer und Verwertung von Patenten. Berlin liegt zwar bei der Anzahl der angemeldeten Patenten über dem Bundesdurchschnitt, doch mehr geht nicht.

„Leider fehlt hier das Verständnis dafür, daß Qualität wachsen muß und Unterstützung benötigt“, klagt Peter Stepina, Leiter der ältesten „Erfinderrunde“ im Café Blisse, eines Erfinderstammtischs, an dem sich nur selten Unternehmer blicken ließen. „Erfindungen entwickeln sich langsam, es ist ein Herantasten an die Lösung. Und dazwischen liegen natürlich immer wieder auch Mißerfolge und Irrtümer.“

Das gehe, so Stepina, den Firmen zu langsam; deren Ziel sei nach wie vor Gewinnmaximierung. Erfindungen, die Energie einsparen helfen, würden von den etablierten „Nahrungsketten“ nicht angenommen, nur 5 Prozent aller Patente führen zum wirtschaftlichen Erfolg. „Förderung von kreativen Talenten gibt es von der Industrie so gut wie gar nicht.“

Dafür erkennen zunehmend mittelständische Unternehmen die Notwendigkeit, in Ideen und Grundlagenforschung zu investieren. Mit der Erfindung einer besonders sicheren Dichtungsmanschette überzeugte ein ehemaliger Brummi-Fahrer das Management einer örtlichen Firma. Heute leitet der Tüftler Olaf Quinqué dort die Abteilung „Neue Produkte“. Und was braucht er zum Erfinden? „Vor allem Ruhe, und eine gehörige Portion Faulheit gehört auch dazu.“ Ein bißchen Romantik eben.