Wand und Boden
: Geld machen mit Alien Aileen

■ Kunst in Berlin jetzt: Manfred Pernice, Tacita Dean, places to stay no.2

Die Präsentation von Tacita Dean in der Galerie Gebauer ist klar und ökonomisch gegliedert. Es gibt einen abgedunkelten Raum, in dem man sich den 16-mm-Film „Delft Hydraulics“ über künstliche Wellen anschauen kann; und es gibt nebenan einen unter Glas gerahmten Streifen Magnetband, die Tonspur zu einem Film über Moskitos.

An der Wand, die nun beide Räume miteinander verbindet, steht ein Paar Lautsprecherboxen: „Trying to find the Spiral Jetty“ ist ein Hörspiel darüber, wie Dean sich gemeinsam mit einem Freund auf die Suche nach der legendären Steinspirale macht, die Robert Smithson 1970 im Great Salt Lake von Utah ausgelegt hatte. Das Earth-art-Feld wurde mittlerweile vom Wasser begraben, doch die Reise ist ohnehin bloß fiktiv – das Rascheln, Krachen und Kichern kommt bei Dean aus dem Wohnzimmer.

Natürlich gehört die coole Ironie zum Handwerkszeug eines erfolgreichen „young british artist“. Doch die Arbeit der 1965 geborenen Dean will mehr, als nur die Naturromantik der späten Sixties ins Leere laufen zu lassen. Was sich bei ihr als technisches Konstrukt aus Stereoanlagen und Filmspulen entpuppt, ist selbst ein kurzer, melancholischer Ausflug in die Mediengeschichte. Denn die Geräte, mit denen sie der Natur nachstellt, sind längst überholt und durch präzisere Apparate ersetzt worden. Wellen simuliert man heute am Computer, und Insektengeräusche lassen sich mit dem Sampler erzeugen. Bei Tacita Dean ist das Summen des Moskitos dagegen noch vier Meter und 28 Zentimeter lang.

Bis 28.2., Di–Sa 12–18 Uhr, Torstraße 220

Der Titel ist seltsam. Die Installation von Manfred Pernice in der Galerie Neu heißt zwar „Platz“, doch die Räumlichkeiten wirken ziemlich beengend. Auf wenigen Quadratmetern ist eine Holzpalette als Sockel ausgelegt, dazu gibt es noch weitere hölzerne Elemente, die der Künstler „Dosen“ nennt.

Sie sind himmelblau, weiß oder orange angemalt und tragen an der Seite einen Schlitz, durch den „sie kommunizieren können“, wie Pernice meint. Zusammen erinnern die Teile aber viel eher an ein Feld oder eine Bühne, wo sich die „Dosen“ wie Figuren bewegen lassen könnten – selbst ein „Dosen“-Außenseiter wurde eingeplant und am Rand postiert.

Offenbar will Pernice, daß sich die Dinge frei zwischen Gefühls- und Abstraktionswelt ansiedeln können. Als Umfeld sind allerlei Verweise an die Wand gepinnt, von Schwarzweißkopien des Bremer Bürgerparks über touristische Städtereklamen hin zu Ernst Barlachs „Geistkämpfer“-Skulptur und einem depressiven Gedicht von Ingeborg Bachmann. Während das Material und die damit verbundenen Assoziationen immer mehr auseinanderdriften, wird die feine Hand spürbar, mit der Manfred Pernice den Dingen im Raum eine ordnende Struktur gibt.

Was immer man sich unter einer bildhauerischen Installation vorstellen mag, hier besteht die Arbeit vor allem in der Annäherung verschiedener Bilder von Öffentlichkeit. Die Pärchen im Park von Bremen, die Würstchenbudenarchitektur auf dem Marktplatz vor dem Barlach-Standbild: An den Plätzen, um die es in der Ausstellung geht, wird Kunst lediglich als Beiwerk benutzt. In seiner Arbeit gibt Pernice den Dingen nun ihre Eigenständigkeit zurück.

Bis 21.3., Do/Fr 14–19, Sa 12–16 Uhr, Charitéstraße 3

Wenn man vom Weidendamm in die Friedrichstraße einbiegt, kann man deutlich das Wort „Club“ an einer Wand im BüroFriedrich lesen. Drinnen sah es zur Eröffnung tatsächlich wie auf einer Party aus: Es gab einen Tresen mit Cocktails und grell leuchtende Disco-Flashlights. Bei Tage ist das diffuse Techno-Ambiente aber gar kein Thema. Joälle Tuerlinckx beschreibt mit „Bildlicht weiß, Blickblind schwarz“ einfach nur sehr konsequent den Effekt, der sich mit der Blendung durch gewaltige Blitzlampen einstellt.

Unruhig schwirren dann helle Punkte vor den Augen, bis man am Ende des Korridors in ein Videoloop von Marijke van Wamerdam hineingesogen wird. Und auch David Powells „Clubscrew“ hat mit der entsprechenden Szene nur den Namen gemeinsam, während sich auf dem Boden verteilte und an Holzlatten gespießte Schuhe oder ein Haufen mit backsteingefüllten Rucksäcken auf Objekte von Gilbert & George und Bruce Nauman beziehen.

Überhaupt ist „places to stay no.2“ so offen konzipiert, daß man sich praktisch unentwegt im Durch- und Übergang zwischen den Arbeiten befindet. Der documenta-Teilnehmer Johan Grimonprez hat dazu passend eine Videothek mit zwei Fernsehern und Sitzecken eingerichtet: „Dorothy doesn't live here anymore...“ ist als Archiv gedacht, das die Arbeitsweise des Dokumentarfilmers veranschaulicht. Die Bänder reichen von van Ackerens „Deutschland privat“ über seltsamen Alien-Trash bis zu Nick Broomfields Medienanalyse am Beispiel von Aileen Wuornos. Die 35jährige Prostituierte hatte zwischen 1990 und 1991 sieben Männer umgebracht und war als erste weibliche Massenmörderin durch die Nachrichten gegeistert. Der Film rekonstruiert, wie sich selbst Wuornos' Adoptiveltern am Schicksal ihrer Stieftochter bereichert haben. Wer will, kann aber auch in Comics über Zippy blättern oder sich mit Debords „Spektakel“-Buch beschäftigen. Soviel Freizeit muß sein.

Bis 8.3., Mo–Fr 14–20, Sa 14–18 Uhr, Friedrichstraße 104 Harald Fricke