Tod der Seifenblasen

Wahlkampfzeiten sind keine Reformzeiten: Was von der Hochschulpolitik 1998 also noch zu erwarten ist  ■ Von Imke Henkel

1997 solle zum Jahr der Hochschulreform werden, so versprach hoffnungsfroh im vergangenen Frühjahr Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU). 1998 dagegen scheint sich zum Jahr der zerplatzten Träume des einstigen Zukunftsministers zu entwickeln. Das begann schon zum Jahreswechsel mit der gescheiterten Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög).

Noch im Dezember verabschiedete das Bundeskabinett den aktuellen Bafög-Bericht, dessen entscheidender Satz lautete: „Das Bundesausbildungsförderungsgesetz wird in seiner augenblicklichen Ausgestaltung seiner Zielsetzung, allen bedürftigen Studierenden und Schülern unabhängig von den familiären Einkommensverhältnissen eine Ausbildung zu ermöglichen, nicht mehr gerecht.“ Sollte heißen: Wenn das Bafög nicht unverzüglich deutlich erhöht würde, käme dies seiner Abschaffung gleich. Die dafür im Bafög- Bericht genannten Werte jedoch unterschritt das Bundeskabinett, als es Mitte Januar einer Erhöhung der Elternfreibeträge um 6 (statt geforderter 7) Prozent und der Bedarfssätze um 2 (statt geforderter 10) Prozent zustimmte. Von der großen Reform wurde da nur noch am Rande gemurmelt.

Noch im vergangenen Sommer sah es dagegen so aus, als hätte Rüttgers sein zweites Ziel erreicht. Mitte August verkündete er gemeinsam mit seinen Länderkollegen aus Rheinland-Pfalz und Bayern, ein Kompromiß für die Novelle des Hochschulrahmengesetzes sei gefunden. Gut ein halbes Jahr später bröckelt der Putz, darunter wird das einstürzende Mauerwerk sichtbar.

Feine Ohren hätten das Zerplatzen der Seifenblase vielleicht auch schon im letzten Sommer hören können, als es hieß, es gebe keinen gemeinsamen Gesetzentwurf von Bund und Ländern. Offen war geblieben, wie mit dem Thema Studiengebühren verfahren werden sollte. Nun stellt sich heraus, daß die SPD es zur Parteiforderung erhebt, das Hochschulrahmengesetz nur zu verabschieden, wenn es ein Verbot von Studiengebühren enthält. Jürgen Rüttgers hat zwar stets erklärt, daß auch er Gebühren ablehne, zugleich aber möchte er deren Verbot um keinen Preis zustimmen.

Der große Schritt nach vorn schrumpft zum Trippeln auf der Stelle. Die nächsten Bewegungen werden Winkelzüge aus dem Repertoire parlamentarischer Verfahrensweisen sein. Der Bundesminister will die Novelle als nichtzustimmungspflichtiges Gesetz ohne den Segen des Bundesrates durchbringen. Der wiederum könnte sich wehren, indem er entweder den Vermittlungsausschuß oder sogar das Bundesverfassungsgericht anruft. Damit, wofür (oder wogegen) die Studierenden vor Weihnachten auf die Straße gegangen sind, hat das allenfalls am Rande zu tun.

Für diejenigen jedoch, die die bislang vorgelegten Reformentwürfe ablehnen, dürfte das kommende Jahr verheißungsvoll aussehen. In Brandenburg, in Hessen und in Bayern sind jeweils sehr unterschiedliche Novellen der Landeshochschulgesetze genauso heftig umstritten. Protestnoten kommen aus den Hochschulen, mehr oder minder halbherzige Beschwichtigungsversuche aus den Ministerien. Sollte jedoch das entsprechende Rahmengesetz nicht wie geplant zum 1. April in Kraft treten, könnten auch die Reformpläne in den Ländern ins Schleudern geraten. Schließlich haben sie ihre Gesetzesnovellen bereits in Vorwegnahme der Rahmengesetzesnovelle geschrieben.

Nein, Wahlkampfzeiten sind keine Reformzeiten. 1998 dürfte eher zum Jahr der großen Bildungsrhetorik werden. Die FDP etwa hat bereits verkündet, Bildung solle eins ihrer wichtigsten Wahlkampfthemen werden. Das freilich hatten 1994 auch schon einmal die Sozialdemokraten versprochen.

Immerhin wird weitergearbeitet an den klugen Ratschlägen. So will der Wissenschaftsrat im Mai endlich seine Empfehlungen zur Gleichstellung der Frauen in der Wissenschaft vorlegen. Gleichzeitig soll sein Papier zum Teilzeitstudium erscheinen. Und eine neue Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich auch ans Werk gemacht. Diesmal geht es um die leistungsabhängige Besoldung von ProfessorInnen. Wenn diese Arbeitsgruppe genauso effizient ist wie die zum Bafög oder die zum Hochschulrahmengesetz, dann braucht kein Hochschullehrer Sorgen zu haben, daß sich noch vor dem Jahr 2000 etwas ändern könnte.