Gesetzlein für die Finanzmärkte

Der Bundestag beschließt, Risikokapital zu fördern. Doch das Gesetz greift kürzer als geplant. Banken haften künftig bei Anlageberatung nur noch drei Jahre  ■ Von Reiner Metzger

Die Deutschen sind unterentwickelt im Bereich des Aktienmarktes, schrieb gestern die Monopolkommission in einem Sondergutachten für den Bundeswirtschaftsminister. Die Defizite bei Börse und der Altersversorgung außerhalb des üblichen Rentensystems hat auch die Bundesregierung gesehen. Eine Reform des deutschen Finanzmarktes hat sie deshalb eigentlich schon länger angepeilt. Gestern nun wurde im Bundestag ein Teil der entsprechenden Gesetze beschlossen.

Grundsätzlich sollen damit neue und kleinere Unternehmen leichter an Risikokapital über die Ausgabe von Aktien und die Beteiligung von Geldgebern kommen. Hier gab es in Deutschland bisher allerlei steuerliche Beschränkungen und Vorschriften, so daß diese Firmen häufig auf Banken als Kreditgeber angewiesen waren. Auch für die deutschen Börsen und die Geldanleger ändert sich mehr oder weniger (siehe unten). Trotzdem hat der Bundestag mit Wortungetümen wie „3. Finanzmarktförderungsgesetz“ und „Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz“ gestern weniger verändert als ursprünglich vorgesehen.

Die Bundesregierung geriet bei vielen Veränderungsvorhaben an mächtige Lobbyverbände: So wollte sie eigentlich die Altersvorsorge neu regeln. Firmen und auch Privatpersonen sollten für ihre Renten nun auch in Fonds Geld ansparen können. Regelmäßige Beiträge würden dann von Banken oder Fondsverwaltungen in Aktien, Staatsanleihen oder Immobilien angelegt – gleichberechtigt mit dem bisherigen Rentensystem oder den Lebensversicherungen. In den angelsächsischen Ländern ist das schon längst etabliert. Für Deutschland wurde eine Reform wichtig, weil außer Bundesarbeitsminister Blüm sich niemand mehr öffentlich zu sagen traut, daß die künftigen Renten nach dem bisherigen System sicher seien.

Doch das Wort „Pensionsfonds“ rief die Versicherungen auf den Plan. Sie fürchten um eine Gewohnheit der Deutschen, neben der Rente ihr Geld in Lebensversicherungen anzulegen. Die Versicherungen nehmen mehr Beiträge ein, als sie den Versicherten später ausbezahlen und fahren so beachtliche Gewinne ein. Wenn nun viele Leute ihr Geld in Fonds mit hohen Renditeaussichten umschichten würden, ginge das zu Lasten der goßen Assekuranzen mit traditionell guten Verbindungen zu CDU und FDP.

Das Wort „Pension“ taucht nun im neuen Finanzmarktgesetz nicht mehr auf. Eine Abart der Pensionsfonds wird aber für Privatpersonen erlaubt. Betriebe müssen bis zu einer weiteren Reform des Gesetzes bei der bisherigen Form der Altersvorsorge für die Angestellten bleiben. Die vor allem von der SPD geforderte Beteiligung von Arbeitnehmern am Betriebskapital – zum Beipiel über Aktien als Teil des Lohns – wurde wieder verschoben. Die Opposition im Bundestag hat mit Ausnahme der PDS den Gesetzen trotzdem zugestimmt, weil so ab dem 1. April immerhin einige Änderungen in Kraft treten.

Einige Paragraphen der Gesetze kommen als Erleichterungen für Börsengänge kleiner Unternehmen daher, sind aber gleichzeitig eine Art Persilschein für die Banken: Sie müssen statt bisher fünf bis 30 Jahre künftig nur noch drei Jahre haften, wenn sie Anleger falsch beraten oder bei einem Börsenprospekt einer Firma geschludert haben.

„Bei Aktien mag das noch angehen“, meint Thomas Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des zuständigen SPD-Abgeordneten Hans Martin Bury. „Doch bei Anleihen oder ähnlichen Anlagen dürfte die Haftung erst nach der Laufzeit beendet sein. Erst dann sieht man häufig, ob die Beratung korrekt war.“

Auch den gesetzlichen Schutz der Kleinaktionäre bei einer feindlichen Übernahme hat die Regierung verschoben. Grund, laut Schmidt: „Die Wirtschaft will das nicht.“