Tröten, trinken, Meister werden

■ Deutsche Meisterschaften der Hockey-Frauen in Hamburg: Der RK Rüsselsheim gewinnt, der Hamburger Klipper THC verliert 12:14 im Halbfinale und einer Frau in der Cafeteria ist das egal

Die Stimmung unter den Fans ist gereizt. „Zwei Bockwurst!“schreit ein Berlin-Anhänger. „Drei Bier!“brüllt ein Hamburger dagegen, was aber nicht gehört wird, weil sein Kind „Papa, Brezel!“plärrt und weil in der Halle hinter der Cafeteria die Stürmerin der Frauen-Hockeymannschaft vom Hamburger Klipper (THC), Vanessa Schmoranzer, gerade ein Tor geschossen hat. Der Jubel von 1500 Menschen verklumpt mit Tröten, Klatschen und Trommeln zum Sound einer skurrilen Big Band. Am Spielfeldrand brüllt THC-Trainer Frank Hänel „Torwart raus“, doch Torwärterin Alexandra Schmidt hört ihn nicht und bleibt drin.

Die vorgeschriebenen zweimal dreißig Minuten sind längst gespielt, und immer noch kann Bundestrainer Bernhard Rauth „keinen klaren Sieger ausmachen“, am Sonnabend in der Wandsbeker Sporthalle. Die Mannschaften von Klipper und dem Berliner Hockey-Club (BHC) kämpfen um den Einzug ins Finale der 37. Deutschen Meisterschaft im Hallenhockey; vor der Verlängerung steht es 10:10. Dabei waren die Hamburgerinnen klare Favoritinnen. Als Nummer eins der Gruppe Nord hatten sie sich schon eine Woche vor Saisonende für die Meisterschaft qualifiziert. Berlin dagegen war nur durch einen Sieg am letzten Spieltag in die Endrunde gekommen.

Doch nun die Verlängerung. Die Cafeteria spuckt ihre Gäste wieder auf die Tribüne. Hamburg-Fähnchen zucken neben Schals in Klippper-Babyblau. 600 Eintrittskarten haben die Gastgeberinnen kostenlos verteilt, aus Angst, den Laden nicht vollzukriegen. Alle anderen Karten kosten 20 Mark, Menschen unter 18 dürfen umsonst rein – Klipper will sich zum Sieg jubeln lassen. Schließlich ist es Trainer Frank Hänels Abschiedsspiel. Künftig trainiert er die Bundesliga-Männer aus Uhlenhorst. Von der Hallentür aus kann Martina Gründner (Name geändert), die Frau aus der Cafeteria, Hänel sehen: Einen knapp Vierzigjährigen in Pullover und schwarzer Hose, der am Spielfeld steht, mit knallrotem Kopf „Ruhig!“brüllt und „seine Mädels“, wie er die Mannschaft nennt, verlieren sieht. Der Berliner HC ist in der Verlängerung unschlagbar, vor allem dank Angreiferin Natascha Keller. Das 13:11 fällt, als der Ansager noch nicht das 12:11 verkündet hat. Schließlich gewinnt Berlin mit 14:12 – und unterliegt einen Tag später im Finale den Frauen vom RK Rüsselsheim klar mit 2:7.

Die Rüsselsheimer sind neuer deutscher Meister, Hamburg dritter – und Martina Gründner ist's egal. Sie mag alle Mannschaften samt ihren Fans, wie sie aus der Halle trudeln und Krautsalat oder Kuchen bestellen „Ein nettes Publikum“, lobt Gründner. „Anders als die vom Fußball.“Die seien zwar „auch nett, aber eben anders“.

Kaum ist das Spiel vorbei, macht sich bei den HockeyanhängerInnen Einigkeit breit. „Zwei Cola“, keucht ein Berliner Fan an der Theke. „Mir auch“, japsen zwei Hamburger dahinter. „Auf das spannende Spiel.“ Judith Weber