Der allerletzte Tango in Berlin

Nur einer wollte sich blamieren: Michael Gwisdek. Er gefällt sich selbst am besten. „Das Mambospiel“, der deutsche Wettbewerbsbeitrag, ist nicht nur für Ostler eine Peinlichkeit – alle kriegen eins in die Fresse  ■ Von Anke Westphal

Wie war das noch mit dem Mambospiel? Man verschränkt die Arme hinter dem Hals und läßt sich eine in die Fresse schlagen. Dann ist der Partner dran. Wobei es cleverer ist, das Spiel vorab zu demonstrieren – und als erster zuzuschlagen. Das hat Maria (Corinna Harfouch) vor. Sie will ihr Leben ändern und hat sich eine Stehlampe gekauft. Beim Warten auf den Bus findet sie die Ausbeute eines Banküberfalls. Weil ihr Lebensabschnittsgefährte (Jürgen Vogel) ein sexuell erlahmtes Faktotum ist und mit der Rettung von Robben und dem Nichtschreiben von Büchern vollauf ausgelastet, behelligt sie ihn nicht mit dieser Neuigkeit. Maria besucht ihren Ex-Mann Martin (Michael Gwisdek; tatsächlich Harfouchs Mann), einen nichtfilmenden Regisseur und Schauspieler.

„Das Mambospiel“ ist Michael Gwisdeks dritte Regiearbeit nach „Treffen in Travers“ und „Abschied von Agnes“. Der Film will und will nicht nur nicht anfangen, er will auch nicht aufhören. Hier ein Getorkel, da ein Genuschel in den Straßen von Berlin, wo Raub, Vergewaltigung und Xenophobie für Regisseur und Drehbuchautor Gwisdek wohl zum Dekor gehören müssen, so requisitenhaft ordnet er sie an in diesem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag. Keiner, so las man im Vorfeld, wollte nämlich deutschen Qualitätsfilm beisteuern zu de Hadelns großem Rennen, nicht Vilsmayer, nicht Huntgeburth, nicht einmal der sonst so unverzagte Sönke. Keiner wollte sich blamieren, außer einem. „Das Mambospiel“ bedeutet – man weiß es nach zwei Stunden –, daß alle eins in die Fresse kriegen, Schauspieler, Kritiker, Regisseur, Publikum.

Die Gründe für das Auftreten der achtbaren Schauspieler Kockisch, Schweighöfer und Hübchen liegen im dunkeln. Alle drei sitzen mit Martin im Auto und an der Bar, haben aber keine Funktion außer der, zu demonstrieren, daß der Westen es vielleicht doch gewußt hat: Ha, Seilschaften unter Schauspielern! Nicht, daß ich es anders machen würde als Gwisdek: Gebt mir ein Amt, und sofort setze ich meine um ihre Karrieren betrogenen Freundinnen als Statthalter ein. Der Auftritt von Gwisdeks Mannschaft verweist auf all das, was diesem „Mambospiel“ fehlt: eine halbwegs zählende Grundidee, Dramaturgie, Distanz und Disziplin. Filme übers Filmemachen sind heikel; Filme über sich selbst als Filmemacher so gut wie unmöglich. Jedem Einfall gibt Regisseur Gwisdek nach wie ein kleines Kind. Wenn sein Martin reiten will, wird eben geritten, auch wenn es gar nicht paßt. Der Ex- Ehefrau, Geliebten und Tochter fällt der Mann schwer auf die Nerven, und doch scharen sie sich um ihn wie die Hühner.

Warum? Daß alle scharf auf ihn sind, hätte Gwisdek-Martin wohl gern. „Das Mambospiel“ ist die Potenzphantasie eines unerträglich eitel gewordenen Schauspielers und Regisseurs. Schön, daß der Ossi nach Jahrzehnten gefühlsgestauter Kollektive zur Abwechslung mal ein kräftiges Ego entwickeln darf, aber muß sich Gwisdek dabei ausgerechnet Harald Juhnke zum Vorbild nehmen? Als Ossi schämt man sich direkt. Martin lallt zuviel, schwätzt zuviel, trägt zu viele lustige Perücken und hat zu viele Filme gesehen, die zudem allesamt besser sind als seine Einfälle. Unverzeihlich auch der Mißbrauch von Jürgen Vogel und Harfouch, wobei letztere nur schöne Garderoben zu tragen hat, dieselbe allerdings nie zweimal. „Windsor“-Werbung, aufgewacht! Es muß ja nicht immer Katja Riemann sein.

Kurz vor Ende landet Martin im Krankenhaus, und es steht zu befürchten, daß auch der Regisseur eines Tages auf einer Station dort enden wird. Michael Gwisdek braucht wie sein Alter ego Martin „keine zehn Millionen für einen Film“. Und die „zehn Mark für eine Kinokarte“, die Martin an Stelle der Produktionsmillionen im Film zugestanden werden, sollte man Gwisdek fürderhin lieber vorenthalten. Im Interesse unser aller Gesundheit. Anke Westphal