Krieg den Windrädern

Wieviel Abstand müssen Windräder von Wohnhäusern haben? Gerichtsentscheidung nutzt Windkraftgegnern  ■ Von Michael Franken

Köln (taz) – Dieter Krämer vom Bundesverband Landschaftsschutz (BLS) in Hamm reibt sich freudig die Hände. „Viele Windräder sind zu Unrecht aufgestellt worden. Das wird ein kleiner Krieg werden“, meint der Windkraftgegner. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat, wie erst jetzt bekannt wurde, in einem Eilverfahren Ende Januar den Bau eines Windrads in Gelsenkirchen vorläufig gestoppt. Es sollte 520 Meter entfernt von einem Bauernhof aufgestellt werden.

Der betroffene Landwirt hatte Widerspruch eingelegt mit der Begründung, die Rotorengeräusche würden an seinem Haus die zulässige Lärmbelastung von 35 Dezibel überschreiten. Die Herstellerfirma Enercon in Aurich hatte das allerdings ausgeschlossen. Bereits im vergangenen November hatte das Verwaltungsgericht in Aachen den Bau des Windrades abgesegnet. Der Nachbarschutz sei sowohl in Hinblick auf Lärm als auch auf Lichteffekte gesichert.

Ganz anders argumentieren die Münsteraner Richter. Sie stützen sich auf eine Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Umweltamts in Essen. Im Mai 1997 empfahlen die Schallexperten in einem Schreiben an das Düsseldorfer Umweltministerium einen Abstand von 950 Metern zu Wohnhäusern für Windräder mit einer Leistung ab 500 Kilowatt und über 65 Meter Höhe. Deshalb erlaubt das OVG Münster den Weiterbau der Anlage zunächst nicht und verwies den Fall zurück ans Verwaltungsgericht Aachen.

Der Bundesverband Landschaftsschutz, der bundesweit massiv gegen den Ausbau der Windenergie wettert, spricht nun von einem „neuen Lärmurteil“. Im Düsseldorfer Bauministerium versucht man, die zahlreichen Pressemitteilungen des BLS zurechtzurücken. „Von einem Lärmurteil kann überhaupt keine Rede sein“, erklärt der Sprecher des Umweltministeriums, Felix Wirtz. Der Münsteraner Beschluß, die Baugenehmigung vom Aachener Gericht erneut überprüfen zu lassen, sei überhaupt kein Urteil. Detlef Pior, Mitarbeiter des Landesumweltamts im Essen, ist überrascht von der Münsteraner Entscheidung. „Unser Schreiben ist falsch interpretiert worden“, sagte er der taz. 950 Meter seien keinesfalls als „Mindestwert“ gemeint. „Für nachweislich leise Anlagen können wesentlich kürzere Abstände eingeplant werden.“

Ungerührt verkündet BLS- Sprecher Krämer: „Die meisten der rund 5.000 Windkraftanlagen sind rechtswidrig, denn die vom OVG Münster empfohlenen Abstände werden nicht eingehalten.“

Die Planer von Windparks haben die Folgen der bundesweiten Kampagne des BLS schon zu spüren bekommen. Beim Bundesverband WindEnergie in Osnabrück stehen die Telefone nicht mehr still. „Investoren sind verunsichert“, sagt Tim Warnke vom Planungsbüro Umweltkontor in Hückelhoven. Sollte sich die Positition des OVG Münster durchsetzen, seien rund 90 Prozent aller Windparkprojekte gefährdet.