■ Debatte: Schweinerei oder Kunst, lustig oder geschmacklos?
Fortsetzung der Diskussion vom 12.Februar
Die Zeichnung von Til Mette fand ich so unverschämt (und) lustig, daß ich laut gelacht habe. Gerade weil sie geschmacklos ist, trifft sie die Geschmacklosigkeit der ganzen Zipper-Affäre. Auch die artig empörten ablehnenden Leserreaktionen auf der Schlagseite vom 28.2. rangen mir ein Lächeln ab, aber ein bitteres. Zu gut kenne ich die dünkelhafte Witzlosigkeit in manchen linken und alternativen Gutmensch-Kreisen. Mit missionarischem Eifer werden Grenzen und Verhaltenskodexe verteidigt – möglicherweise zum Zwecke der Selbstaufwertung und Identifikation. (...) Die Inhalte treten teilweise so gegenüber der Gesetzestreue zurück, daß sie austauschbar werden. Mir kommt manchmal der Verdacht, es könnten, nur zum Beispiel, auch die Inhalte von vor ca. 60 Jahren sein, die man mit ebensolcher Verbissenheit und deutscher Unbarmherzigkeit verteidigt. (...) Obrigkeitshöriges Denunziantentum spricht mir daraus mehr als die Sorge um Seriosität und was angeblich noch alles mit dieser Karikatur in Gefahr gerät. (...) Lachen sollte erlaubt sein, aber petzen nicht.
Das schadet der Sache: Es wird kadermäßige Linientreue verlangt, kein Lachen, kein Nachfragen an der falschen, unerlaubten Stelle, sonst wird empört die Nase gerümpft, gemaßregelt, ausgegrenzt. Für einen linken Diskurs braucht es mehr Offenheit anstatt Vorschriften, über was wir politisch korrekt lachen dürfen!
Renate Schroth (ein Fan)
Wenn sich Frau X über ein Bild empört, erfahre ich sehr viel über Frau X – und wenig über das Bild. Sicherlich, Til Mette hat schon bessere Karrikaturen geliefert. Ein guter Witz trifft wie ein Blitz, und hier muß ich mir das Was-hat-er-möglicherweise-mal-gemeint mühsam zusammenklamüsern. Langeweile aber macht aus einem alten Kämpen noch keinen enttarnten Sexisten.
Viel lustiger sind die pawlowschen Reflexe, die bei der Leser- und Leserinnenschaft einschnappen, wenn sie eine Frau vor einem Mann knien sehen, dazu auch noch mit dessen Schniedel im Mund. Hier liegt der eigentliche Kern der Entrüstung: Fellatio ist politisch nicht korrekt! Jedes altlinks analytisch geschulte Denken erkennt sofort die „gschlächtspitzüphüsche“Symbolik der gedemütigten und unterdrückten Sklavin vor ihrem Pascha. Und bewundert sich selbst und die eigene gedankliche Tiefe!
Vielleicht aber sind diejenigen, die sich im Leben nie über Blümchen-Sex und Missionarstellung hinauswagten, nur unfähig zu begreifen, daß es täglich tausendfach zu Fellatio ganz freiwillig, gern und ungezwungen kommt – oft sogar gewollt und ausgehend von der Frau. (...) Wer dann „dominiert“, ist sehr die Frage. Denn Frau Haifisch hat bekanntlich Zähne. Aus anderer Perspektive also steht bei besagtem Skandalon die Machtfrage richtiggehend kopf – im Gegensatz zum PC-geprüften Mann-oben-Frau-unten-Spiel. Also, meine Damen, einfach mal ausprobieren! Und Männer, schützt eure heiligsten Güter!
Was also war los? Nix war los! Ein linker Karrikaturist hat Oralverkehr dargestellt, ohne sich ausdrücklich zu distanzieren. (...)
Klaus Jarchow
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