Visionen für die leere Mitte

■ In einer Ausstellung in Bremerhaven ist der Ocean Park schon heute Schnee von gestern

Diese Ausstellung hat jemand gut versteckt. Sie hat den harmlosen Titel „Stadtvisionen im Wandel“und verbirgt doch jede Menge aktuellen Zündstoff. Es geht um Visionen, die verschiedene Stadtplaner in den letzten 50 Jahren für das Herzstück Bremerhavens entwickelt haben, für das Gelände um den Alten Hafen – das Gelände, auf dem der Ocean-Park erbaut werden soll, wenn er überhaupt noch erbaut wird.

An dem längs der Weser verlaufenden, schmalen Hafenbecken hatte im 19. Jahrhundert die Stadtgeschichte begonnen. Die Hafenschuppen, Lagerhallen und Kräne des ehemaligen Gewerbegebiets sind bis auf wenige längst verschwunden. In den 70er Jahren entstanden auf der östlichen Seite die Hochhausscheiben des Columbus-centers, auf der anderen Seite – zwischen Hafen und Deich – das Deutsche Schiffahrtsmuseum. Genau hier verbergen sich jetzt die Bild- und Texttafeln, die Skizzen und Modelle der von Eberhard Syring zusammengetragenen Ausstellung.

Das ist ein listig gewählter Platz: Denn gleich aus dem Fenster ist das Gelände zu sehen, auf dem die Stadtplaner der letzten 50 Jahre mit ihren Visionen die neue Mitte der im Krieg fast völlig zerstörten Stadt errichten wollten.

Der Überblick zeigt Erstaunliches: Das historische Hafenbecken, das von Ocean-Park-GegnerInnen heute leidenschaftlich verteidigt wird, wurde schon Ende der 40er Jahre zur Disposition gestellt. Ein Stadtbaurat hätte es 1949 am liebsten in eine Festwiese verwandelt. Nur fünf Jahre später empfahl eine andere Studie erneut das Zuschütten des Hafens, um die „Schauseite der Stadt an der Weserfront“zu betonen. Auf dem 19 Hektar großen Gelände sollten zentrale Verwaltungs- und Kultureinrichtugen angesiedelt werden.

Auch der international renommierte Stadtplaner Ernst May brütete zwei Jahre lang über einem idealen Gesamtkonzept für das Gelände: Der Chefplaner der Neuen Heimat schlug 1962 für die Ostseite eine Reihe acht- bis zehnstöckiger Geschäftshäuser vor, auf der anderen Seite einen Weserpark, Grünflächen mit Freibad und Stadthalle. Konkret wurden diese Pläne jedoch erst Anfang der 70er Jahre mit dem Bau des Columbuscenters. Die Hochhausgruppe wurde damals als „städtebauliche Jahrhunderttat“gepriesen, die Shopping-Mall als „Superzeichen“und „Stadtkrone“begriffen. Was andere Städte an den (Trabanten-) Stadtrand setzten, wurde hier zur stadtbildprägenden Silhouette, zum Wahrzeichen einer Fehlentwicklung des Jahrzehnts. Denn mit dem massigen Baukörper hatten die Turmbauer von Bremerhaven die Stadt nicht zum Wasser geöffnet, sondern vollends von ihm abgeriegelt. Hans Scharouns Schiffahrtsmuseum zwischen Deich und Altem Hafen ist da kaum mehr als ein Trostpflaster.

In den folgenden 20 Jahren ging eine Flut von Plänen und Projekten auf das verbliebene Gelände nieder. Ein Architekt entwarf ganz originell ein Netz von Stegen und Wegen, die vom Columbus-Center zum Deich führen sollten. Der „empfohlene Dialog zwischen Planungsbehörde, Bevölkerung und Architekt kam nicht in Gang“, so der lakonische Kommentar in der Ausstellung. Der Rundgang endet wohlweislich mit dem Modell des US-Amerikaners Peter Chermayeff. Er hatte 1995 den Bau eines touristisch orientierten Themenparks mit dem Schwerpunkt Wasserwelten angeregt. Von ihm stammt auch der Begriff „Ocean-Park“.

680.000 Mark kostete seine Studie, die damals euphorisch gefeiert wurde. Doch Ausstellungsmacher Eberhard Syring hatte schon wenig später Schwierigkeiten, in den zuständigen Amtsstuben Chermayeffs Entwürfe und Modelle wiederzufinden. Der Ocean-Park als Schnee von gestern? Oder: Wie wird es Chermayeffs „Nachfolger“, dem Investor Jürg Köllmann, mit „seinem“Ocean-Park-Modell ergehen?

Bremerhaven, so Kulturdezernent Wolfgang Weiss bei der Ausstellungseröffnung, „ist es immer noch nicht gelungen, seine Mitte zu finden“. Doch statt „banalen und beliebigen“Zeitgeist-Visionen hinterherzulaufen, empfiehlt Weiss eine Politik der kleinen Schritte. Er will die gewachsenen Strukturen wie den sanierungsbedürftigen „Zoo am Meer“vorsichtig ausbauen.

Seriöse Pläne dafür lägen längst vor, aber die Köllmann-Gruppe habe einen „Zoo von morgen“versprochen. Weiss trockener Kommentar: Das seien nur „einige bunte Skizzen und viele offene Fragen“.

Hans Happel

„Stadtvisionen im Wandel, Bremerhavens neue Mitte am Alten Hafen“, bis 8. März im Deutschen Schiffahrtsmuseum; Di-So von 10-18 Uhr