Melancholische Animation

■ In „Perfect Blue“ von Satoshi Kon geht es um das Glück des Pop, das der Girlgroup-Sängerin Mima verlorenzugehen droht

„Perfect Blue“ ist ganz wunderbarer, schöner Pop, und bei Pop geht es immer um Glück: ein herrlicher, abenteuerlicher, moderner, auch recht melancholischer, großstädtischer Animationsfilm, bei dem man schnell vergißt, daß es sich um einen Animationsfilm handelt. Wie soll man es anders sagen? Am Schicksal der animierten Helden nimmt man nicht weniger Anteil als am Schicksal wirklicher Schauspieler, schließlich geht es dabei, wie der Name schon sagt, um Beseelung.

Also: Tokyo in der Jetztzeit. Die Girlgroup „Cham“, deren Musik ein bißchen an „Pizzicato Five“ erinnert, hat zwar viele begeisterte Fans; einen richtigen Charthit gab es bislang jedoch nicht. Deshalb will die Leadsängerin Mima aussteigen. Ihre Agentur drängt sie, Schauspielerin zu werden. Traurig hängt sie die Poster ab in ihrem mädchenhaften Popstarappartement. Mimas neues Leben ist hart. Zunächst bekommt sie nur Nebenrollen. In ihrer ersten größeren Rolle muß sie ein Peepshowgirl spielen, das auf der Bühne vergewaltigt wird – dramatisch inszenierter Verlust der Unschuld, mit der Mima durchs bunte, kindliche Wunderland der Popmusik wanderte.

Wie schön war die Kindheit, das Popstardasein. Im Internet entdeckt sie eine Mima-Homepage. Sehr beängstigend. Da steht zum Beispiel drin, was sie grad im Supermarkt gekauft hat. Die Mima im Internet sehnt sich nach ihrem Popstardasein zurück und lehnt die Prostitutionszwänge des Schauspieler-, also Erwachsenenlebens ab. Die Mima vor dem Computer ist verwirrt. Zumal in der Gegend ihrer Schauspielerei der eine und auch andere gemordet wird – von einem fanatischen Mima-Fan vermutlich – und ab und an auch der Geist der wirklichen Mima im weißen Ballerinen-, Cinderellakleidchen vorbeihüpft.

Diverse Wirklichkeits- und Traumebenen und Wunschprojektionen überlagern sich, bis man nicht mehr weiß, wo man ist. Im Film im Film spielt Mima auch eine schizoide Rolle. Depressive Ängste zerren sie in ihre Wirklichkeit. Das Ende kommt – wie es sich gehört – sehr überraschend daher. „Japan ist die Lifestyle-Super- Power“ sagt ein Mann irgendwann im Fernsehen im Film. „Perfect Blue“, ein perfekter Debütfilm, hat drei Millionen Dollar gekostet. Satoshi Kon, der Regisseur, war auch an dem so sozialkritisch wie lustigen („Real“-)Film „World Appartement Horror“ beteiligt, der vor ein paar Jahren im Forum gezeigt wurde. Groß ist das Spektrum japanischer Filmkünstler. Detlef Kuhlbrodt

Forum: heute, 24 Uhr, Delphi, 18.2., 15 Uhr, Arsenal