Auch die Heteros sollen hereingucken

■ Schwule Medien machten bislang hauptsächlich mit Akten an. Ein neues Monatsblatt versucht's jetzt mal journalistisch

Gedruckte Medien für schwule Männer gab es schon viele. Seit Homosexuelle versuchen, sich als soziale Gruppe zu verstehen, erscheinen oder verschwinden die Blätter für den schwulen Leser. Doch kommerzieller Erfolg war bislang keinem Blatt beschieden. Stets kämpften die Postillen damit, daß nur wenige eine Zeitung kaufen, die vorwiegend einschlägige Themen enthält – aus Feigheit womöglich. Erfolgreich waren nur Pornomagazine.

Ambitionierte Medien, wie in den siebziger Jahren Emanzipation (Nachrichten aus der Bewegung) oder Him-Applaus (Kultur & Akte), gingen mangels zahlender Käufer und verlegerischen Engagements ein. Als Anfang der neunziger Jahre die Homobewegung über das studentoide Milieu hinauswuchs, gab es wieder einen kleinen Aufschwung bei den Schwulenjournalen. Mal kamen sie serviceorientiert daher wie die Berliner Siegessäule oder auch die Kontakthöfe First und Gay Express, mal waren sie hochglänzend wie Männer aktuell. Magnus , das mediale Paradeobjekt der politischen Schwulenbewegung, ging 1995 ein. Es scheiterte auch an den Grundproblemen schwuler Publizistik: Für die Debatte war es zuwenig aktuell, für Bilderkonsumenten zu bieder. Nur eines hatte Erfolg: kostenlos verteilte Anzeigenblätter mit umfangreichem Service- und Kontaktmarkt.

Das schwule Pendant zur frauenbewegten Emma blieb bislang aus. Das soll jetzt anders werden. In Köln erscheint seit Anfang Februar, produziert von nur vier Journalisten jeden Monat Queer, das aus dem Westblatt Rosa Zone und dem bislang Leipziger Queer entstand.

Gleich im Untertitel beansprucht man Meinungs- und Marktführerschaft: „Die Monatszeitung für Schwule und Lesben“. Micha Schulze, Herausgeber mehrerer schwuler Bücher, und Christian Scheuß, gelernter Fernsehtechniker und Radiojournalist, sind die journalistischen Motoren des Projekts. 50.000 beträgt die Startauflage – mehr als die Konkurrenz. Das Prinzip, nach denen sie ihre Leser finden sollen: Sie kosten nichts und sehen dennoch aus wie eine Kaufzeitung – das Prinzip des seriösen Anzeigenblatts, an dem sich derzeit auch die Freiburger Zeitung zum Sonntag versucht. Sollte Queer mit diesem Prinzip Erfolg haben, würde man allerdings auch die Chancen für einen erfolgreichen schwulen Kauftitel mindern. Der Anspruch von Queer ist hochgehängt: „Unabhängig“ wollen sie sein, beteuern die beiden Journalisten, „politisch zitierfähig“ soll das Blatt sein und so, daß es „auch von Heteros gelesen wird“ – eben die „schwulenpolitische Stimme Deutschlands“. Ein Medium, für das „man sich nicht schämt“.

Nur der Anzeigenverkauf muß Queer finanzieren. Es soll überall dort ausliegen, wo Schwule und Lesben verkehren, in Kneipen, Cafés, Buchläden oder Galerien.

Dem Verdacht, daß man eine gewisse Nähe zum unter autonomen Schwulen verpönten Schwulenverband Deutschlands (SVD) habe, entkräftet die Zeitung in ihrer ersten Ausgabe. Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck muß sich dort die Schlagzeile gefallen lassen: „Klebst Du an Deinem Sessel, Volker?“ Das Ziel der Herausgeber, ein seriöses, also auch heterokompatibles Produkt zu kreieren, wird sichtbar.

Ideologische Fragen stehen nicht mehr im Vordergrund – „Schwule über 27 müssen leider draußen bleiben“, lautet ein Debattenthema – gezielt provokant, munter in den Argumenten und streitbar. Ansonsten gibt es Themen aus dem schwulen Alltag: Liebeskummer, Beziehungen, Diskriminierungen, Zusammenarbeit mit der Polizei, schwullesbische Netzwerke, Alter und Sexualität – und so weiter (der lesbische Anteil an Queer ist indes noch viel zu mager). Der Rest ist Service, Lebenshilfe, und zwar umfassend. Queer erscheint mit Lokalteilen bislang für Münster, Duisburg und Hamburg.

Das alles geschieht in einer Sprache, die bewußt unspektakulär gehalten ist. „Journalistisch eben“, sagt Micha Schulze. Jan Feddersen

(Kontakt: Tel. 0221/57 97 60)