Japan enttäuscht den Rest

■ Konsum lahmt, USA und Europa fürchten deshalb eine Exportoffensive aus Südostasien

Tokio (taz) – Der Währungspapst Eisuke Sakakibara ist als Vizefinanzminister Japans einflußreichster Wirtschaftspolitiker. Er versprach am vergangenen Sonntag in einer vielbeachteten Diskussionssendung erneut: „Die Regierung wird zum richtigen Zeitpunkt die Wirtschaft stimulieren. Die Wende in der Wirtschaftspolitik ist schon im Dezember eingeleitet worden.“ Das sagt Sakakibara nun schon seit fünf Wochen, so daß ihm bald kein Wirtschaftsexperte in Europa und den USA mehr glaubt. Denn bislang enttäuschen die konkreten Schritte der Japaner mit denen sie das Versprechen einlösen wollen.

Das ist schlimm für die gebeutelten Tigerökonomien in Asien, die Absatzmärkte für ihre Exportprodukte dringend nötig haben. Da kann (und will) Japan offenkundig keine helfende Hand bieten. Der Expremier und Wirtschaftsexperte Kiichi Miyazawa begründete es in einem kürzlichen Interview mit der Überschuldung des japanischen Staates. „Wir sind schlicht nicht in der Lage, ein großzügiges Stimulierungspaket zu knüpfen“, sagt Miyazawa.

Ein Bekenntnis, das auch Europäer und Amerikaner ärgert. Denn so werden die Billigexporte aus den Tigerländern erst mal an Japan vorbei auf die beiden anderen wichtigsten Märkte in USA und Europa geleitet.

Die Forderungen der Handelspartner an die japanische Regierung sind altbekannt. „Japans wichtigster Beitrag, die Stabilität und das Wachstum in Asien wiederherzustellen, ist eine Stärkung der Inlandsnachfrage, die Deregulierung der Wirtschaft und die Lösung der Probleme im Finanzsektor“, mahnte US-Vizefinanzminister Lawrence Summer vergangene Woche in Richtung Tokio an. Bislang hat die Regierung zur Förderung der Inlandsnachfrage eine mickrige Steuererleichterung von umgerechnet 30 Milliarden Mark angekündigt. Damit wird den Konsumenten nicht einmal ein Drittel der Kaufkraft zurückgegeben, die sie durch eine zweiprozentige Erhöhung der Konsumsteuer vom April 1997 verloren hatten.

Dagegen soll der Finanzsektor mit über 400 Milliarden Mark gestüzt werden. Ein entsprechendes Gesetz wurde gestern im Oberhaus verabschiedet. Mit diesem althergebrachten Mittel verhindert die Regierung jedoch die längst notwendige Reform in der überregulierten Finanzbranche und sichert der Bürokratie noch mehr Eingriffsmöglichkeiten. Die 400 Milliarden Mark verlieren ihren Stellenwert als echte Stütze auch darum, weil immer noch 1.000 Milliarden Mark an „faulen Krediten“ auf dem japanischen Finanzsektor lasten.

Im gleichen Atemzug hat die Regierung Hashimoto auch einen Sparhaushalt vorgeschlagen, der eine siebenprozentige Kürzung der öffentlichen Ausgaben vorsieht – und das obwohl die jüngsten Konjunkturzahlen noch viel trüber aussehen als noch vor zwei Monaten. Die meisten Ökonomen in privaten Instituten rechnen im kommenden Fiskaljahr mit einer Schrumpfung des japanischen Inlandsprodukts um bis zu 1,5 Prozent. Da erscheint die regierungsamtliche Vorhersage eines 1,9prozentigen Wachstums als reines Wunschdenken. André Kunz