Heiße Debatte um Wehrpflicht

■ Landesmitgliederversammlung der Grünen in Bremen stritt, ob „Instandbesetzung“der Armee möglich und sinnvoll sei

„Beteiligen wir uns von links an der Ausgrenzung der Bundeswehr, oder machen wir ein Integrationsangebot?“Ralf Fücks spielte freiwillig den „Stein des Anstoßes“auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen am Montag abend. Vor einer Berufsarmee Bundeswehr fürchte er sich, gibt der grüne Ex-Senator aus Bremen und heutige Chef der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin bekannt.

Denn das könnte „Tendenzen fördern, die Bundeswehr zu einer geschlossenen Kaste zu machen.“Umstrittene Schlußfolgerung des Polit-Prommis: Die Wehrpflicht gehört nicht abgeschafft, die Bundeswehr muß vondemokratisch gesinnten Menschen „instandbesetzt“werden.

In dem Entwurf des Bündnisgrünen Wahlprogramms, der am Montag abend auf der Versammlung der Bremer Grünen debattiert wurde, hört sich das bislang ganz anders an. „Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für die Abschaffung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes ein“, steht in dem vorläufigen Papier.

Die rund 100 Grünen, die in das Konsul-Hackfeld-Haus gekommen waren, plagten sich fast zwei Stunden bei Rede und Gegenrede mit diesem hochsensiblen Thema bündnisgrüner Politik.

„Kontraproduktiv und schädlich für den kommenden Wahlkampf“fand es der direkte Gegenpart von Fücks, Frithjof Schmidt, von der Instandbesetzung“der Bundeswehr zu reden. Für Schmidt, der als Mitglied im Bundesvorstand den betreffenden Programmteil ausgearbeitet hat, bergen Wehrpflichtarmeen den Nationalismus schon in sich. „Die großen Kriege sind von Wehrpflichtarmeen geführt worden“, erinnert er.

Der offene Konflikt zog die Grünen-Mitglieder in quotiertem Wechselspiel ans Mikrofon. Michaela Deu erinnerte die Debatte, die Fücks mit einem Artikel in der taz am 2.1.98 losgetreten hatte, an ihre Jugend, als sie im Jugendzentrum Pläne ausgeheckt habe, wie die Linken die Bundeswehr unterwandern könnten. Und auch für Ex-Soldat Volker Bruhns grenzt die Forderung von Fücks „an Naivität.“Für ihn ist die Vorstellung abwegig, freiwillig in der Armee zu dienen.

Doch die andere Hälfte der RednerInnen hielt dagegen. Daß Fücks dazu auffordere, die Bundeswehr heimzusuchen, findet Hermann Kuhn aus der Bürgerschaftsfraktion „in Ordnung“. Und der langhaarige Klaus Möhle, ebenfalls Bürgerschaftler und früher Vertrauensmann der Kompanie ärgert sich, „daß alles immer in einen großen Topf geworfen wird, und so getan wird, als redeten wir immer noch über die Wehrmacht“. Und wieder ein anderer gibt Fücks recht, weil die „Demokratisierung der Bundeswehr auf keinen Fall von den verknöcherten Alten an der Spitze kommen wird“. Hucky Heck vom Landesvorstand konnte abschließend nur bekennen: „Ich bin immer noch so unentschieden wie vor der Debatte“.

Schließlich gab es doch noch Entscheidungen: Zwei Bremer Änderungsvorschläge im arbeits- und frauenpolitischen Bereich des Wahlprogramms werden an die Programmkommission weitergeleitet. Der Wahlkampfetat der Bremer Grünen wurde auf 80.000 Mark festgelegt, der Parteihaushalt 1998 mit 480.000 Mark beschlossen.

Christoph Dowe