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Die ganze Stadt ein Museum

Schluß mit Tuttifrutti-Präsentationen. Mit der Eröffnung neuer Abteilungen im Palazzo Massimo in Rom kommt die neue Philosophie archäologischer Sammlungen zum Abschluß. Ab Juni wird die Gesamtschau unter einer Leitung zusammengefaßt  ■ Von Werner Raith

Vom Palazzo Massimo zum Altemps-Palast sind es zwanzig Gehminuten, von dort bis zum Antiquarium auf dem Palatin braucht man eine Viertelstunde, hinauf zum Thermenmuseum dann noch mal zwanzig Minuten – ein Rundgang um und durch den Kern des alten Roms, und in jeder dieser „Eckstationen“ findet sich nun ein Teil der unermeßlichen Schätze aus dem römischen Altertum. Mit der schrittweisen Eröffnung der letzten renovierten Säle im Palazzo Massimo nahe dem Hauptbahnhof Termini im Februar und März kommt die neue Ausstellungsphilosophie Roms zum Abschluß; im Juni soll die Gesamtschau der nun unter einer einzigen Leitung zusammengefaßten Altertumsmuseen erfolgen. Nicht mehr wie bisher eine ganze Anzahl eigenständiger Kollektionen mit dem Anspruch, von allem etwas zu zeigen, sondern eine Reihe thematisierter, spezialisierter und auch auf die Darstellung der jeweils anderen Museen bezogener Sammlungen soll den Rom- Besucher in die verschiedensten Stadtteile der Antike locken, ihm deren Lage und Ausdehnung vermitteln und ihn auch an den am Weg liegenden Ruinen und Überresten antiker Baukunst vorbeiführen. Eine Weltneuheit und eine gelungene dazu.

Fünf „feste“ Orte umfaßt die neue „Dislozierung“ der Altertümer: das Museo nazionale archeologico delle Terme, das bisher die größte Antikensammlung Roms darstellte und das in den westlichen Teilen der Thermenanlage aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. untergebracht ist; der Palazzo Massimo, ebenfalls Teil der einst elf Hektar großen Bäderanlage, aber weiter im Osten gelegen; das Antiquarium auf dem Palatinhügel, dessen Sammlung im Krieg ausgelagert wurde, das nun erstmals wieder zugänglich ist; der im Dezember 1997 wiedereröffnete Palazzo Altemps aus dem 16. Jahrhundert und das Colosseum, das alte Amphitheater, das neuerdings Eintritt kostet, dafür aber mit allerhand Serviceleistungen ausgestattet wurde. Die fünf Museumsorte „umschließen“ die vormalige Peripherie nördlich des Esquilin-Hügels, das Marsfeld nahe dem Tiber, in altrömischer Zeit Truppenübungsplatz, danach Ausdehnungsgebiet für die Villen der VIPs und Neureichen, den Kaiserhügel Palatin und damit auch das Forum Romanum, die riesige Ausgrabungsstätte in der Senke zwischen dem Kapitol und dem Esquilin.

Sammlungen, nach Charakter geordnet

Geordnet sind die einzelnen Sammlungen nicht mehr nur nach dem Prinzip des jeweiligen Alters, sondern auch nach dem Charakter der Fundstücke. So enthält das Antiquarium nicht nur Dokumente und Kunstwerke aus der Zeit der Kaiserburgen, obwohl es auf dem Kaiserhügel steht, sondern auch aus Roms allerältester Zeit. Schließlich sollen hier einst auch die ersten Hütten gestanden haben, wovon auch noch Reste von Grundpfählen und alte Brunnen zeugen. Viele der nun hierher gebrachten Stücke kommen vom bisherigen Zentralmuseum der Thermen. Dieses wiederum konzentriert sich von nun an vor allem auf die vorkaiserlische, also die republikanische Zeit zwischen dem 6. und dem letzten vorchristlichen Jahrhundert. Für die Zeit der Etruskerherrschaft gibt es wie bisher noch das unabhängige Museo di Villa Giulia. Der Palazzo Massimo nebenan widmet sich der darstellenden Kunst der spätrepublikanischen und der kaiserlichen Zeit: Reliefs, Statuetten, Wandmalereien, dazu aber auch die gesamte Münzensammlung des alten Roms. Der Palazzo Altemps schließlich, Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts für den österreichischen Kardinal Marco Sittico Altemps erbaut und inzwischen mal als Patrizierresidenz, mal als Akademie, mal als päpstliches Kolleg genutzt, hat als Kernstück die weltberühmte Sammlung Ludovisi, die nach ihrem ersten Kollektionisten, dem Kardinal Ludovisi benannt ist. Der größte Teil davon war bisher im Thermenmuseum zu sehen, dort aus Platzmangel aber niemals richtig zur Geltung gekommen. Zu dieser Sammlung gehören der weltberühmte, beiseitig mit Reliefs von Kultfiguren geschmückte Ludovisi-Thron, der „Schwarze Stier“ aus Ägypten, der aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammende „Graue Satyr“ (auch „leidender Satyr“ genannt, wegen seines traurigen Gesichtsausdrucks), der Galater, der sich nach verlorener Schlacht umbringt, sowie jene Mars-Statuette, die der deutsche Kunstforscher Winckelmann einst als „die schönste Darstellung, die es je von diesem Gott gab“, bezeichnet hat. Mit seiner architektonischen Schönheit und der Großräumigkeit (mehr als 11.000 Quadratmeter Ausstellungsraum, dazu Wandelgänge im Innenhof und zahlreiche Einrichtungen zur Erklärung der Exponate, viele davon computergesteuert), sticht der Altemps-Palast alle anderen Museen Roms aus – auch das nicht zur Gesamtregie zählende Casoni Borghese, das seinerseits vor einem Jahr nach 17jähriger Restaurationszeit wiedereröffnet wurde (und sich auch nur zum Teil der Antike widmet).

Doch die Umgestaltung der römischen Geschichtslandschaft endet nicht in der Eröffnung neuer Ausstellungsstätten. Als Gegenleistung dafür, daß das Colosseum nun Eintritt kostet, ermöglicht die Stadt nun einen wunderbaren Spaziergang entlang des Forum Romanum: die Via Sacra, die durch das Forum hindurchführt, ist nun unentgeltlich zu begehen, und von ihr aus kann man rechts und links die Tausenden beeindruckenden Relikte bewundern, Tempelreste und Hallen aus den großen Basiliken, Säulenreihen, Rednerpulte und auch den lieblichen Garten der Vestalinnen.

Schöne Musealität und erhöhte Eintrittspreise

Dennoch gibt es einen Wermutstropfen bei all dieser Herrlichkeit: Eintritt muß man nun bei jedem der Museen extra bezahlen, das bedeutet, insgesamt an die 50.000 Lire zu berappen. Bisher sah man zwar die Altertümer nicht so schön präsentiert und mußte sich teilweise auch durch dichte Menschenmassen drängeln, dafür aber konnte man im Museo delle Terme aber auch von allem etwas sehen – für 10.000 Lire insgesamt. Daß es sich bei der schönen neuen Welt der dislozierten Musealität auch um ein Stück Beutelschneiderei handeln könnte, leugnen die römischen Kulturverwalter freilich energisch.

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