Mehr falsche Fuffziger

■ Polnische Zlotys, estnische Kronen oder portugiesische Escudos: Auch was das Wechselgeld in den Automaten betrifft, ist Berlin eine Vielvölkerstadt. Mit Centimes Billard spielen geht aber nicht mehr

Ungezählt sind die Automaten Berlins. Sie verkaufen Kippen und Kondome, Kaffee oder Kekse. Gegen harte deutsche Mark – aber manchmal auch gegen estnische Kronen. Zum Ärger der Automatenaufsteller und zum Schrecken des arglosen Käufers, dessen Wechselgeld sehr international ausfällt: polnische Zlotys, schwedische Kronen oder portugiesische Escudos purzeln aus den Automaten. Ganz schön billig – oder ganz schön teuer?

Horst Auer, Seniorchef von Auer-Automaten, kann den Schaden nicht genau beziffern: „Das schwankt sehr stark. Manchmal haben wir überhaupt keine Probleme, manchmal sind 10 Prozent unserer Einnahmen Fremdwährung.“ Das deutet zumindest darauf hin, daß die fremden Münzen keine Urlaubssouvenirs sind, sondern gezielt und in großen Mengen importiert werden. Wenn ein Automat schon nach kurzer Zeit wieder leer ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß sich im Münzfach wieder mal nur die Exoten tummeln. Das trifft besonders die kleinen Automatenaufsteller. Zu Beginn der neunziger Jahre mußten einige Firmen sogar Konkurs anmelden, weil sie mehr polnische Zlotys als D-Mark in in ihren Automaten fanden.

Die Zeiten, in denen man mit belgischen 20-Centime-Stücken Poolbillard spielen konnte, sind allerdings vorbei. In den meisten Automaten arbeiten heute mechanische oder elektronische Münzprüfer. Nur wenn Durchmesser, Gewicht und Legierung stimmen, wird das Geld geschluckt. Um die Münzprüfer zu täuschen, wird viel kriminelle Energie aufgewendet. So wird an den polnischen Zlotys der Rändelrand abgeschliffen, den es bei deutschen Geldstücken nicht gibt, und die Schwedenkronen kriegen einen Plastikring, um sie auf den richtigen Durchmesser zu bringen. Übliche Gegenmaßnahme ist die Neueinstellung des Münzprüfers. Er wird strammer eingestellt, aber wenn man das übertreibt, werden auch abgenutzte, aber ganz legale Markstücke zurückgewiesen. Um die ehrlichen Kunden zu schützen, kann man den Automaten so einstellen, daß er kein Wechselgeld mehr ausspuckt.

An estnischen Kronen muß man nicht rumfeilen. Die seit 1993 hergestellten Münzen sind genauso groß wie eine Mark, wiegen wie diese 5,5 Gramm und bestehen auch aus einer Kupfer-Nickel- Legierung. Viele Münzprüfer halten sie deshalb für deutsche Währung. Ein erheblicher Verlust für den Automatenaufsteller, denn eine estnische Krone ist nur knapp zehn Pfennig wert.

Abhilfe schafft eine neue Generation von Münzprüfern, die nicht nur messen und wiegen, sondern sogar sehen kann. Axel Ortmann von der Herstellerfirma ACT erklärt: „Das Geldstück fällt auf einen Drehteller und wird von einem Infrarotstrahl abgetastet. So wird ein Bild der Münzoberfläche erstellt und mit den gespeicherten Daten verglichen.“ Also keine Chance mehr für die estnische Krone. Zumindest bei den Firmen, die sich den teuren High-Tech- Prüfer leisten wollen.

Falls Sie selbst noch Münzen aus dem Urlaub übrig haben: Überlegen Sie genau, was Sie tun! Fremde Währung in deutsche Automaten zu stecken verstößt gegen Paragraph 265a StGB und ist „Erschleichung einer Leistung“. Das ist der Paragraph, der auch den Schwarzfahrer in der U-Bahn bedroht. Selbst Notwehr nach dem Motto „Der Automat hat mir Falschgeld zurückgegeben, ich werf es wieder rein“ erfüllt denselben Tatbestand. Höchststrafe: ein Jahr Gefängnis. Theoretisch, denn erwischt wird fast nie jemand.

In einem Europa, das Länge und Krümmung von Salatgurken regelt, sollte man Vorschriften vermuten, die verhindern, daß eine andere Währung genauso groß und so schwer ist wie eine Deutsche Mark. Die Vermutung besteht zu Unrecht, die Länder sind frei in der Gestaltung der Münzen.

Bleibt die Frage, was mit den fremden Münzen geschieht. Die Automatenaufsteller werden sie doch nicht in die Automaten der Konkurrenz stecken? „Die Münzen liegen eingeschweißt in Plastiksäcken bei mir im Keller“, sagt Horst Auer. „Ich muß sie aufheben für die Betriebsprüfung, sonst könnte ich dem Finanzamt ja viel erzählen.“

Dem dienen sie als Beweis für entgangene Einnahmen, und dort endet auch die weite Reise der Münzen. Sind sie manipuliert oder so wertlos, daß sich ein Tausch gar nicht lohnt, werden sie vernichtet. Und wenn das Finanzamt sie wieder in D-Mark tauscht, wird der Erlös beim Automatenaufsteller als Gewinn verbucht, den der natürlich versteuern muß. Bernd Plümmer