Eine Luft – dünn wie Saft

Die Prestigeveranstaltung Afrika-Cup ist für das Land zu teuer – und für die wettergeplagten Gäste zu billig  ■ Aus Ouagadougou Harald Gaubatz

Hany Ramzy, dem in Deutschlands Norden bei Werder Bremen kickenden Ägypter, blieb in der zweiten Halbzeit gegen Mosambik schon mal „die Luft weg“. Ein Phänomen, das auch der ostdeutsche Fußball-Hero Eberhard Vogel, jetzt Trainer im fernen Togo, bei seinen Mannen um den Duisburger Sturmführer Bachirou Salou ausmachte. „In der Pause“, hatte der Rekordspieler der DDR- Oberliga beim Kongo-Spiel beobachtet, „haben die Jungs kaum noch atmen können.“

Wer dieser Tage in Ouagadougou oder Bobo-Dioulasso weilt, kann den Frust der Leistungssportler nachvollziehen. Selbst der kleine Spaziergang am Nachmittag gerät schnell zur Strapaze. Schuld daran ist nicht nur die Hitze, die die Quecksilbersäulen in den Thermometern selbst im Schatten auf über 40 Grad treibt. Unerträglich machen die Tage vor allem die heißen Winde, die die Luft mit feinem, rötlichem Lateritstaub füllen. Das reizt die Schleimhäute und forciert das Geschäft der vielen Papiertaschentücher verkaufenden Kinder.

Schniefende Menschen allüberall, bei strahlendem Sonnenschein. Wie üblich, wenn der Harmattan aus Nordosten weht, aus der Sahara. „Von Januar bis März“, wissen die Burkinabe, „ist es hier am unangenehmsten.“ Die Funktionäre der CAF hatten davon offenbar keinen blassen Schimmer. Jedenfalls hat der afrikanische Fußball-Verband das größte Sportereignis des Kontinents nach Burkina Faso vergeben. Und auf Februar terminiert.

Zum Austragungsort nicht äußern wollte sich Burkhardt Ziese, bis zum 0:4 gegen Äyypten im zweiten Spiel Trainer von Sambias Nationalmannschaft. „Da bekäme ich größere Probleme“, befürchtete er. Geäußert hat er sich dagegen übers Frühstück. „Dafür zahlen wir zehn Dollar pro Person“, blickte Ziese (54) vorwurfsvoll auf den gedeckten Tisch, „die Butter ist ranzig, die Zutaten werden immer weniger und der Orangensaft immer dünner, weil die einen Teil davon selbst trinken.“

„Die“, das sind die Angestellten des Service vom Hotel O.K. Inn, das die Bewirtung der Mannschaften übernommen hat. Und dabei offensichtlich kräftig abkassiert. Wie es in den drei Wochen des CAN, des Coupe d'Afrique des Nations, in Ouaga und Bobo so üblich ist. Die im Vorfeld des Turniers vielzitierte Gastfreundschaft hindert die Bewohner des „Landes aufrechter Menschen“, wie das aus der Mossi-Sprache stammende Wort Burkina zu übersetzen ist, nicht daran, ihre zahlreichen Besucher als willkommene Melkkühe zu betrachten.

Im RAN-Hotel von Ouaga etwa erhöhte man die Preise fürs Zimmer der einfachen Kategorie während des Turniers von 21.000 auf 37.000 CFA, für die Mark bekommt man rund 330 der „afrikanischen Franc“. Dasselbe Haus kassiert in Bobo fürs Frühstück jetzt 5.000 statt zuvor 2.500 CFA. Und für das „Zimmer der ersten Kategorie“ genannte Loch im „Hotel“ Meridien sind im kleineren der beiden Austragungsorte 13.000 statt wie gewöhnlich 7.500 CFA zu berappen.

Da sind die Preiserhöhungen der größtenteils schrottreifen Taxis, die statt wie üblich 150 CFA für die Fahrt innerhalb der Stadt derer 500 verlangen, sobald das Zauberwort „Stade Omnisport“ fällt, direkt liebenswürdig zu nennen. Stolz präsentiert der Fahrer dem Gast als „Beweis“ für den Wucherer einen mit Schreibmaschine beschriebenen Fetzen Papier, auf dem steht: „Tarif de la CAN“.

Für den Rest der Bevölkerung ist es, abgesehen von ein paar Souvenirverkäufern, die ihre Ware rund um die großen Hotels feilbieten, fast unmöglich, vom Afrika- Cup zu profitieren. Das große Geld wird in den großen Hotels gemacht, auf der Straße geben die wohlhabenden Fremden nicht viel aus. Den Leuten bleiben die Sorgen. Etwa die ums Wasser. Denn nach zwei Sommern mit wenig Regen ist das auch in diesem Jahr knapp in Burkina. Während der Afrikameisterschaften fließt es in Strömen aus den Duschen der Hotels. Aber dann, so befürchten die Nachdenklicheren, wird's eng bis zum Beginn der Regenzeit Ende Mai. Und wehe, die ersten Niederschläge lassen auf sich warten.

Aber auf solche Nebensächlichkeiten nehmen Machthaber in Afrika selten Rücksicht, wenn es gilt, sich mit Prestigeobjekten und -veranstaltungen ins rechte Licht zu rücken. So ist es fraglich, ob die Bewohner der Provinz Garango, in der es für 80.000 Einwohner einen Arzt und ein kleines Hospital gibt, die Meinung teilen, daß der CAN der Weiterentwicklung des Landes diene. Das Geld für den Bau zweier neuer Stadien, die in Zukunft weitgehend leerstehen, hätte mit Sicherheit sinnvoller verwendet werden können.

Daß das ehemalige Obervolta trotz der für ein Entwicklungsland enormen Investitionen kaum die notwendigen Rahmenbedingungen für ein Großereignis mit 16 teilnehmenden Ländern schaffen kann, beweist das tägliche organisatorische Chaos. „Man kann Burkina nicht mit Südafrika 96 vergleichen“, sagt Hany Ramzy, dessen ägyptisches Team trotz eines dienstäglichen 0:1 gegen Marokko, wie der Gegner, das Viertelfinale erreicht hat. „In Südafrika war alles besser“, findet der Bremer Abwehrspieler, „aber das ist ja auch ein reiches Land.“

Nur in einem Punkt ist Burkina Faso der Kap-Republik überlegen. In Johannesburg strömten 80.000, wenn die heimische „Bafana Bafana“ spielte. Zu den Vorrundenspielen der anderen Teams kamen oft nicht einmal 1.000 Zuschauer. In Ouagadougou war beim Eröffnungsspiel Burkina gegen Kamerun das 35.000 Besucher fassende „Stade du 4 Aout“ zwar gut gefüllt und die Begeisterung nach der Qualifikation der „Etalons“ fürs Viertelfinale riesig. Aber: Auch die Leistungen der anderen werden respektiert. Bisher fanden alle Spiele vor recht ansehnlicher Kulisse statt. „Wir wurden“, freute sich Ramzy, „hier sogar mit Sprechchören empfangen.“ Von Jugendlichen aus Burkina Faso, wohlgemerkt.