Europäische Waren für ganz China

■ EU-Handelskommissar Brittan antichambriert in Peking, damit China noch 1998 der Welthandelsorganisation beitritt

Peking (taz) – Eigentlich ist EU- Kommissar Sir Leon Brittan nicht mehr als ein Handelsbeauftragter, wenn er bis zu viermal im Jahr nach China reist. Seine Aufgabe lautet schlicht, europäischen Unternehmen den Weg in die Volksrepublik zu ebnen. Für den Briten aber ist das ganz große Politik: „Europa und China sind Weltmächte. Der Kontakt zwischen ihnen hat lange Zeit gestockt“, sagte der EU-Handelskommissar in Peking.

Die Verhandlungen zwischen Brüssel und Peking über den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) sind allerdings noch nicht sehr weit fortgeschritten. Bis auf sieben Produktkategorien (unter anderem für Spielzeug) ist der europäische Markt für China bereits geöffnet. Umgekehrt sieht es noch anders aus. Es geht bilateral um ein Handelsvolumen von annähernd 50 Milliarden Dollar, wobei China für 17 Milliarden Dollar mehr Waren nach Europa exportiert als die Staaten der Europäischen Union nach China. Allein Japan ist für China ein bedeutsamerer Handelspartner als die EU. Für die EU ist der Handel mit Japan sogar doppelt so wichtig wie mit China.

Am Dienstag veröffentlichten Sir Leon und seine chinesische Kollegin Wu Yi eine gemeinsame Erklärung, die die Dringlichkeit des WTO-Prozesses betont. Meinungsverschiedenheiten, etwa beim Abbau spezifischer Handelstarife oder bei Dienstleistungen, sollen „in den kommenden Monaten“ überbrückt werden. China verpflichtete sich sogar, alle bis dato neu verfaßten Gesetze und Richtlinien sofort transparent zu machen, damit die Voraussetzungen für die Endphase der Verhandlungen klar sind. Sir Leon wertete das als Erfolg. Wie ernst die EU es meint, zeigt eine interne Studie, die 1998 als das „Entscheidungsjahr“ für den chinesischen WTO-Beitritt bezeichnet. Wie weit Peking mitspielt, bleibt offen. Denn noch ist unklar, welche Lehren die chinesische Regierung aus der asiatischen Finanzkrise zieht: Optiert sie für unabhängige Kontrollen des überschuldeten Bankensektors samt ausländischem Kapitalzufluß, dann kämen die neuen WTO-Richtlinien zum Beispiel für Finanzdienstleistungen China entgegen. Entscheidet sich Peking hingegen für die weitere Abschottung von den Kapitalmärkten, was Reformgegner mit den Erfahrungen in Süd-Korea begründen, dann ist der WTO-Prozeß zum Scheitern verurteilt.

Am Ende stand Sir Leon nur als Handelsreisender da: Brüssel hat derzeit bei einem WTO-Beitritt Chinas mehr zu gewinnen als Peking. Das gleiche gilt für Washington. Die chinesische Regierung aber kann sich den Verdacht von Reformrückschritten nicht leisten. Georg Blume