Ein Schuß in die Luft

Die EU verhandelt Regeln für den Rüstungsexport, läßt den Waffenherstellern jedoch viel Spielraum  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Frankreich und Großbritannien schlagen einen EU-Kodex für den Rüstungshandel vor. Seit Dienstag beraten Ministerialbeamte in Brüssel über das Papier, gestern wollten sich die EU-Parlamentarier damit befassen. Der zentrale Punkt des Pakts: EU-Waffenschmiede sollen nicht einfach Aufträge abstauben können, die ihren Konkurrenten durch politische Vorgaben ihrer Regierung verwehrt wurden. Geplant ist deshalb, die Gründe für die Ablehnung „durch diplomatische Kanäle“ zu verbreiten.

Drei Jahre lang soll das Geschäft in der EU tabu sein – eigentlich. Will ein Land einen entsprechenden Export dennoch genehmigen, muß es seine Gründe dafür darlegen. Wie es das tut, bleibt jedoch geheim: Die Gespräche und Briefe zwischen den beiden Regierungen sind vertraulich. Auch andere EU-Länder erfahren nichts.

Repressive Regime müssen nicht um die Ausrüstung ihrer Polizisten fürchten. Zwar heißt es im Kodex zunächst: Eine Ausfuhrgenehmigung sollte abgelehnt werden, wenn in dem Bestimmungsland die Menschenrechte nicht geachtet werden und es ein deutliches Risiko gibt, daß die Waffen zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden. Doch wenn die Schlagstöcke, Pistolen und Wasserwerfer dazu dienen, die Sicherheitskräfte zu schützen, dürfen sie geliefert werden. Und auch Terrorismusbekämpfung gilt explizit als legitim.

„Es ist so, als ob man den ADAC vorgeben läßt, wo und wie schnell man Auto fahren darf“, kommentiert Thomas Küchenmeister vom Berliner Institut für transatlantische Sicherheit (BITS) den Entwurf. Denn der Vorschlag stammt ausgerechnet von den beiden größten Waffenexportnationen der EU. Die Rüstungslobby hat nicht nur die zahlreichen Schlupflöcher in den Kodex gebohrt. Sie hat auch dafür gesorgt, daß er nicht rechtlich bindend sein wird.

„Eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexporte ist zur Zeit nicht durchsetzbar“, sagt Stefanie Kage, Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Offiziell plädiert die Bundesregierung für strengere Regeln. Doch sehr überzeugend ist das nicht: Zum einen wurden die Exportkontrollen hierzulande in den vergangenen Jahren gelockert. So brauchen Rüstungsbetriebe keine Genehmigung mehr zu beantragen, wenn das Endprodukt weniger als 20 Prozent deutsche Komponenten enthält. Zum zweiten hat Deutschland auf einen eigenen Vorschlag verzichtet. „Man kann sich gewisse Initiativen sparen, wenn man sowieso weiß, daß man nicht durchkommt. Sonst nimmt einen keiner mehr ernst“, so Kage.

Doch es geht wohl auch um die Interessen der deutschen Waffenhändler. Das Stockholmer Institut für Friedensforschung (Sipri) verzeichnet Deutschland auf Platz fünf der Weltrangliste beim Rüstungsexport. Knapp 1,5 Milliarden Dollar (2,7 Mrd. DM) kassierten deutsche Firmen 1996 für Panzer, Zünder und Granaten. Frankreich ist mit 2,1 Milliarden Dollar (3,8 Mrd. DM) und Großbritannien mit 1,8 Milliarden Dollar (3,3 Mrd. DM) dabei. Obwohl sich der weltweite Rüstungsmarkt in den letzten zehn Jahren halbiert hat, verzeichnete die EU nur ein Minus von 8 Prozent.

Die Forderung nach einem Kodex kam ursprünglich von Menschenrechtsorganisationen. Die neuen Regierungen in Paris und London sahen sich gezwungen, darauf einzugehen. Doch das Urteil von amnesty international, Saferworld Isis und Oxfam über den jetzigen Vorschlag ist eindeutig: „ungenügend“.