FDP zum Preis einer Kinokarte

In Berlin zieht es die Studenten in Scharen in die FDP. Deren Vorsitzender Matz sieht sie mit Freuden kommen. Über deren Eintritt entscheiden die Ortsvorstände  ■ Von Severin Weiland

Der Berliner FDP-Landesvorsitzende Martin Matz kann zufrieden sein. Die Partei, seit zwei Jahren nicht mehr im Abgeordnetenhaus und öffentlich kaum noch präsent, ist wieder im Gespräch. Gestern erlebte der 32jährige einen Medienansturm wie schon lange nicht mehr. Denn es scheint wahr zu werden, womit die studentische Initiative „Projekt Mehrheit“ seit Wochen droht: massenhaft in die FDP einzutreten.

Bis gestern hatten die Studenten 2.400 Beitrittserklärungen gesammelt, weitere 300 fehlten noch, um das Ziel von 2.700 zu erreichen. Auch in anderen Städten wird für die FPD getrommelt – in Köln will eine Gruppe schon 800 Unterschriften zusammen haben.

„Wir sind sicher, daß wir es in Berlin alleine schaffen. Wir haben so viele Stände aufgebaut wie noch nie zuvor“, erkärte gestern der 28jährige Informatikstudent Enrico Rudolph. Gestern abend wollte die rund 30köpfige Arbeitsgruppe entscheiden, ob sie die Unterschriften in der kommenden Woche in der Berliner Landesgeschäftsstelle der Liberalen abgeben wird. „Es geht in diese Richtung“, beteuerte Rudolph.

FDP-Chef Matz, der sich erst vor wenigen Wochen auf dem Parteitag zum zweiten Mal gegen den Rechtsliberalen Alexander von Stahl durchsetzte, hatte sich dafür eingesetzt, das studentische Anliegen ernst zu nehmen. Selbst Generalsekretär Guido Westerwelle sah sich genötigt, die spektakuläre Aktion wohlwollend zu kommentieren (siehe unten). Selbst wenn die Studenten beitreten, werden sie nicht ohne weiteres die Mehrheit in der FDP an sich reißen können. Zwar führt der Landesverband rund 2.720 Mitglieder, doch vor der Übernahme stehen immer noch die Statuten. „Die FDP wird sich sicherlich verändern, aber sie wird nicht auf den Kopf gestellt“, sagt Matz. Schließlich entscheiden über die Aufnahme die Ortsvorstände – möglichst innerhalb von 30 Tagen. Sollte ein Kandidat dem Landesvorstand suspekt erscheinen, kann er gegen eine Aufnahmen Widerspruch einlegen. Nervös reagierten bereits die Rechten in der Partei. Es gehe den Studenten nicht um eine „ernsthafte politische Mitwirkung“, sondern schlicht um einen „studentischen Gag“, erklärten mehrere Mitglieder des Landesvorstandes in einem offenen Brief. Man werde daher davon absehen, die Studenten aufzunehmen. Getrübt wurde ihr Eindruck von einem Auftritt in der vergangene Woche, als sich der Landesvorstand öffentlich dem Gespräch in der Technischen Universität stellen wollte. Doch wer nicht erschien, waren die Initiatoren des Projekts „Absolute Mehrheit“. Die wollten sich nicht vereinnahmen lassen. Statt dessen hätten, so Matz, irgendwelche „linken Asta- Mitglieder rumgebrüllt“.

Der FDP-Chef aber ist trotzdem guter Dinge. Er selbst hatte vor Wochen die Arbeitsgruppe des Projekts besucht und sich davon überzeugt, daß da „ernsthafte junge Leute“ am Werke seien. Und überhaupt sei es „ein Ding, Leute zusammenzubringen, ein anderes, Politik zu machen“. Sollten die Studenten beitreten, werden sie monatlich zehn Mark an die Parteikasse abführen. Das sei wohl der geringste Hinderungsgrund, meint Matz: „Soviel kostet heute ja noch nicht einmal mehr eine Kinokarte.“

Kommentar Seite 12