Der Milchhof ist ziemlich sauer

■ Viel Geld und Eigenarbeit haben Künstler in die Ateliergemeinschaft Milchhof in der Anklamer Straße in Mitte gesteckt. Nun droht der Milchriese EmZett mit der Zwangsräumung

Der Ateliergemeinschaft Milchhof in der Anklamer Straße in Mitte droht das Aus. Der Grund: Der Vermieter, der Milchproduzent EmZett, hat eine Mieterhöhung von vier auf zehn Mark pro Quadratmeter angekündigt. Am kommenden Dienstag wird über eine Räumungsklage gegen die 40 Künstler entschieden.

Der Milchhof hat nun ein Gegenangebot vorgelegt. „Wir sind seit 1991 auf dem Gelände und haben seitdem etwa 300.000 Mark reingesteckt“, pocht Vorstand Manfred Fuchs auf die Eigeninitiative des Vereins. „Die müssen sich in einer Mietminderung niederschlagen.“ Laut Fuchs haben die Künstler den maroden Hof erst zu dem gemacht, was er ist: „Wir haben die Heizungen angebracht, die zwei einzigen Toilletten installiert und Fenster eingebaut.“ Nach Ansicht der Milchhöfler könne das Gelände höchstens als Lagerraum deklariert werden. „Die Vergleichsmieten in Mitte liegen bei fünf Mark“, so Fuchs.

Das Kollektiv sei aber dennoch bereit, eine Miete von acht Mark zu akzeptieren. Im Gegenzug sollten die besagten 300.000 Mark abgezogen werden, was wiederum einen Quadratmeterpreis von fünf Mark ergeben würde. Diese sollten sich im Laufe der nächsten fünf Jahre auf acht Mark steigern. Dann muß das Gelände sowieso geräumt werden, da sich die benachbarte Grundschule am Arkonaplatz erweitern will.

Dem Bezirk sind laut Eva Mendl, Stadträtin für Kultur in Mitte, die Hände gebunden: „Wir sind eindeutig auf seiten des Milchhofs“, erklärte sie gestern. „Aber institutionelle Künstlerförderung ist dem Bezirk untersagt.“

Schade wäre es um das Projekt allemal. In den Höfen in der Anklamer Straße ist eine von keinem öffentlichen Topf abhängige Subkultur gewachsen, die in Berlin, vor allem seit der Selbstdiskreditierung des Tacheles, seinesgleichen sucht: Neben den Endzeitmechanikern „Dead Chickens“, dem Maler und Bildhauer Sergej Dott oder dem Großraumgestalter Henry Stöcker bevölkern Musiker, Tänzer, Metallverarbeiter und Videofilmer die bunte Welt des Milchhofs. Die Atelierbeauftragte Berlins, Doris Poll, bezeichnet die Bedrängnis des Projekts als „symptomatisch“ für die Stadt. „Seit der Wende sind in Berlin über 1.800 Arbeitsräume bildender Künstler verlorengegangen.“

Unterstützung erfuhr der Milchhof letzte Woche aus der Senatskulturverwaltung. Staatssekretär Lutz von Pufendorf setzte sich in einem Schreiben an die EmZett für das Projekt ein. „Seitdem sind die wieder verhandlungsbereit“, so Fuchs. Von der EmZett war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Tobias Riegel