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Erster Schluck aus voller Pulle

■ Die haben sogar ein Autokino: Bob Swaims Film „Dannys Mutprobe“ beim Kinderfilmfest

Die Jungens tragen die gleichen karierten Flanellhemden wie ihre Väter. Danny (Gregory Smith) möchte unbedingt Baseball spielen, Wayne hat seinen Daddy „in einem Topf“ auf dem Kaminsims stehen und bereits festgestellt, daß er „prima wegzusaugen geht“. Kurz: Die gute alte Zeit rollt immer weiter, und die Welt ist noch in Ordnung.

„Dannys Mutprobe“, oder etwas eleganter im Original „The Climb“, ist zwar eine französisch- neuseeländische Koproduktion, spielt aber in den achtziger Jahren in einer filmtypischen US-amerikanischen Kleinstadt in der Mitte von Nirgendwo. Die haben da sogar noch ein Autokino. Vor diesem Hintergrund läuft die altbekannte Junge-wird-erwachsen-Geschichte ab, inklusive der unverzichtbaren Initiationsriten: die ersten voyeuristischen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, der erste Schluck aus der Whiskey- Pulle und die erste Begegnung mit dem Tod. Wie üblich leistet ein knorriger Alter Beihilfe, der natürlich nicht nur ein bißchen gruselig ist, sondern doch vor allem im Kinde sich selbst wiedererkennt (John Hurt).

Den Alten, der gerade dabei ist, jämmerlich an Lungenkrebs einzugehen, muß Danny betreuen, als er ihm einen Pfeil in den Arm geschossen hat. Nun besorgt er ihm Schnaps und Luckys ohne Filter, aber nicht die Pistole, die der Alte will, um dem Krebs ein Schnippchen zu schlagen. Mit Freund Wayne diskutiert Danny am Beispiel eines kürzlich eingeschläferten Cockerspaniels die ethischen Grundsatzfragen von aktiver Sterbehilfe. Und sowohl der Papa als auch der Sohn haben schwer daran zu knabbern, daß der Erzeuger nicht in Vietnam gedient hat und deswegen allgemein als Memme eingestuft wird.

Nun könnte man meinen, das umzusetzen braucht es eine gute Portion Kitsch. Und man hat recht damit. Selbst ein gewisser Anteil patriotischer Gefühle und längst vergessener Werte kämen da gut. Auch das haben wir im Angebot. „The Climb“ versammelt eine Menge Symptome des unangenehmen Mainstream-Kinos und fällt dann unerklärlicherweise doch nicht in die selbst gebuddelte Grube. Vielleicht liegt es ja am Spiel von John Hurt, der einerseits herzerweichend seine Lunge durch die Gegend spuckt, andererseits genauso rüde und zynisch ist, wie wir Kinogänger es von ihm kennen, wenn er wie sonst den versnobten Säufer spielen muß.

Ein Tränchen kann man zur Ehre eines solchen Films da schon mal verdrücken. Schließlich wird alles, aber auch wirklich alles wieder gut. Der Tod trifft den Richtigen, und selbst der rumballernde Bösewicht entpuppt sich natürlich nur als ein armes, vietnamgeschädigtes Würstchen. Thomas Winkler

„Danny Mutprobe“ („The Climb“, F/NZ 1997). Buch und Regie: Bob Swaim, Produktion: Ellipse Programme, Paris. Mit Gregory Smith, John Hurt und anderen. Der Film läuft noch einmal heute um 15 Uhr im Adria und morgen um 14 Uhr im Kino in der Urania

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