Ein seltsamer deutsch-türkischer Dialog

■ Empörung statt Recherche: Wie „Hürriyet“ mit merkwürdigen Methoden Politik macht und eine „intellektuelle Bande“ aus taz und türkeikritischen Politikern konstruiert

„Merkwürdig ist, daß die Zeitung Hürriyet im Hause Ceyhun anrief, um sich nach der Farbe seines Wagens und dessen Autonummer zu erkundigen.“ Diese Randbemerkung im Bericht unseres Mitarbeiters Christian Semler über die Festnahme Ozan Ceyhuns (taz, 14.2.) hatte unerwartete Folgen. Am 17.2. prangten die Porträts Semlers und Ceyhuns auf der Titelseite von Hürriyet und daneben die Schlagzeile „Die merkwürdige Logik eines deutschen Journalisten“. Auf Seite 13 wird dann der „Fall Semler & Ceyhun“, erneut mit Foto, in aller Breite präsentiert, besser inszeniert.

Empört schreibt die Zeitung, die taz habe angedeutet, daß Hürriyet mit offiziellen türkischen Stellen zusammenarbeiten würde. Das hat Semler in seinem taz-Bericht keineswegs behauptet. Diese Behauptung setzte Hürriyet in einem Interview, das die Mitarbeiterin Gülay Durgut mit Semler geführt haben will, selbst in Umlauf. Dieses Interview, das Hürriyet so empört, hat Semler allerdings nie gegeben. Durgut führte lediglich ein informelles Telefongespräch mit Semler. Von einem Interview, gar einem, das zur Veröffentlichung bestimmt sei, war dabei keine Rede. Das hinderte Hürriyet allerdings nicht daran, jede „Antwort“ Semlers mit einer Anmerkung der Redaktion zu kommentieren.

Auf der gleichen Seite wie das vermeintliche Interview befindet sich ein Kommentar des Starkolumnisten Ertug Karakullukçu. Er konstruiert darin eine „intellektuelle Bande“, bestehend aus taz, Ceyhun und Cem Özdemir. Semler wird bescheinigt, daß die ihm von Gülay Durgut untergeschobenen Aussagen keine Ansichten eines Journalisten seien, sondern Ausgeburten eines militanten Kopfes. Des weiteren folgen Diffamierungen der taz, die Karakullukçu bereits 1995 als „Zeitung, die von ehemaligen deutschen Kommunisten gegründet wurde, die allgemein dafür bekannt ist, daß sie als Sprachrohr der RAF-Terroristen fungiert“, bezeichnete. Damals erregte Karakullukçu die in der taz veröffentlichte Behauptung Cem Özdemirs, Karakullukçu stünde auf der Gehaltsliste türkischer Geheimdienste. Diese Behauptung wurde sowohl von Cem Özdemir zurückgenommen als auch von der taz. Eberhard Seidel-Pielen